Mogelpackung S-Bahn

Stadtbahn statt „Buspromenade“

Inzwischen wird immer klarer, dass die S-Bahn Münsterland offensichtlich eine Mogelpackung ist. Es hört sich sehr gut an, aber es steckt viel weniger dahinter, als Nutzer*innen von einer S-Bahn erwarten. Für Werner Szybalski, Sprecher der Münsterliste, ist klar: „Die vom Oberbürgermeister Markus Lewe und den Landräten der Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf seit 2019 propagierte S-Bahn ist nichts weiter, als die Ankündigung, die acht vorhandenen Schienenstrecken nach Münster zu modernisieren und irgendwann die WLE bis Sendenhorst zu reaktivieren. Die Hoffnung, bis zu 212.000 Fahrgäste täglich mit der Bahn nach Münster zu bringen, ist selbst für die 40er Jahre unseres Jahrhunderts allein mit den vorhandenen Bahnlinie gar nicht realisierbar. Allerdings könnten auf der Schiene zukünftig sogar noch mehr Menschen täglich in Münster und der Stadtregion unterwegs sein. Dazu bedarf es aber des Neubaus einer Straßenbahn in Münster beziehungsweise einer Stadtbahn für die Region.“ Damit erteilt Werner Szybalski auch den jüngst vorgelegten Plänen des VCD Münsterland, der auf der Grundlage des Stadtwerke-Konzepts „Metrobus“ eine „Buspromenade“ auf dem ersten Tangentenring rund um Münsters Altstadt vorschlägt, eine Absage: „Die zur Verwirklichung des VCD-Vorschlages notwendigen Busspuren können aber sehr gut als Fläche für Stadtbahnschienen verwendet werden.“

Werner Szybalski

Kapazitätsprobleme beim S-Bahn-Konzept

„Die S-Bahn-Planungen für Münster überzeugen nur durch in Aussicht gestellte Finanzmittel von Land und Bund. Die Entwürfe sind mit Optimismus erdacht, aber die Verwirklichung schon jetzt von Absagen und Verschiebungen geprägt“, unterstreicht Bahnexperte Szybalski: „Die Reaktivierung der WLE – allerdings bis Lippstadt oder besser sogar wieder bis Warstein – muss kommen. Auch die Modernisierung der acht weiteren von Münster sternförmig ins Land gehenden Schienenstränge ist zwingend notwendig, wenn die Verkehrswende hin zu emissionsarmen Verkehr erfolgen soll. Doch allein über den Hauptbahnhof in Münster, der zudem auch noch für den Fernverkehr zur Verfügung stehen soll, können die bei diesem Szenario zu erwartenden Menschenmassen dort gar nicht verteilt werden. Ob der vorhandene Haltepunkt Münster-Nord sowie der angedachte, aber komplett neu zu errichtende ehemalige Bedarfshaltepunkt Preußenstadion tatsächlich für die erhoffte Kapazitätserweiterung ausreichen, darf zumindest zum derzeitigen Sachstand bezweifelt werden.“

Ein Zukunftsversprechen, aber eigentlich nur für Münster

Anfang März brachten im Landeshaus in Münster Mitarbeiter des Zweckverbandes Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), einer der drei Nahverkehrsverbünde auf Landesebene in Nordrhein-Westfalen, die Mitglieder der Verbandsversammlung des ZVM (Zweckverband Mobilität Münsterland) auf den aktuellen Sachstand. Nur zwei Werktag zuvor musste der NWL aber mitteilen, dass die Reaktivierung der WLE-Strecke vom Herbst 2023 um mindestens ein Jahr geschoben werden muss. Hintergrund sei die Arbeitsüberlastung bei der Deutschen Bundesbahn, die den Hauptbahnhof in Münster nicht eher gleis- und signaltechnisch auf den notwendigen Stand bringen können.

Der NWL, am Mikro Nils Winter, informierte am 7. März 2023 im Landeshaus in Münster die Mitglieder der ZVM-Versammlung über den aktuellen Sachstand zur S-Bahn Münster(land). (Foto: Werner Szybalski)

Unmut – selbst bei Kommunalpolitiker*innen

Doch nicht nur diese am Mittwoch (15. März 2023) in Münster im städtischen Ausschuss für Verkehr und Mobilität durch die NWL-Vertreter bestätigte Verschiebung sorgte für Unmut bei den Kommunalpolitikerinnen und Verwaltungsvertreterinnen an der WLE-Strecke. Immer deutlicher wird, dass die S-Bahn für das Münsterland insbesondere dem Oberzentrum zu Gute kommen soll. Deutlich wird dies unter anderem daran, dass die Schienenstränge im Münsterland, egal ob in Betrieb (zum Beispiel Dortmund – Coesfeld – Gronau) oder vor der Wiederinbetriebnahme (zum Beispiel Ibbenbüren – Lengerich oder Recke – Osnabrück) stehend, aber nicht nach Münster führend, komplett aus dem S-Bahn-System ausgeschlossen werden. Auch der seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts avisierte zweigleisige Ausbau der Strecke von Dortmund über Lünen und Werne nach Münster wird nach den aktuellen Planungen den erwarteten Leistungen einer S-Bahn nicht gerecht. Dies gilt besonders für Fahrgäste, die nicht in die Domstadt wollen. So bestätigte am Mittwoch im Rathaus von Münster eine NWL-Sprecher: „Ja, aus Ascheberg oder Amelsbüren wird nur stündlich ein Zug nach Dortmund fahren.“

Das S-Bahn-Konzept für Münster sieht den Neubau eines Umsteigebahnhofs „Preußenstadion“ vor, der fünf S-Bahn-Linien umfassen soll. Sieben der neun S-Bahnlinien sollen im Hauptbahnhof enden.

Kein Mehrverkehr auf der Schiene nach Telgte möglich

Weitere Problemfälle in Münster wurden am Mittwochabend im Rathaus auf Nachfrage von Verkehrsausschussmitgliedern deutlich. So könne für den Haltepunkt Albachten keine Verbesserung zur heutigen Situation versprochen werden. Derzeit werden Albachten, aber auch Bösensell, Nottuln-Appelhülsen oder Buldern, nur stündlich von der RE 42 (Münster – Mönchengladbach), die von der DB Regio NRW betrieben wird, angefahren. Aktuell fallen aber täglich mehrere Züge wegen Personalmangel bei der DB aus.

Der aktuelle Planungsentwurf für das Jahr 2040 mit den Umsteigebahnhöfen Hiltrup, Münster-Nord und Preußenstadion. (Grafiken: ZVM)

„Alles, wirklich alles spricht dafür, sofort mit den Planungen für eine Stadtbahn zu beginnen.“

Werner Szybalski

Auch die Strecke nach Telgte und Warendorf sei nach Auskunft der NWL-Mitarbeiter nur bedingt für mehr Schienenverkehr geeignet: „Ab Mauritz-Mitte ist die Bebauung zu eng an der Strecke. Zudem ist eine Kurve sehr eng, so dass gerade einmal 60 Stundenkilometer gefahren werden kann.“ Zusätzliche Züge seien deshalb nicht möglich, womit auch weitere erhoffte Haltepunkte (Mauritz-Mitte, Mondstraße / Mauritz, Handorf-Bahnhof) nicht realisiert werden können. Auch die Weiterführung der WLE-Bahn in Richtung Telgte käme deshalb nicht in Frage.

Straßenbahn würde helfen

„Alles, wirklich alles spricht dafür, sofort mit den Planungen für eine Stadtbahn zu beginnen. Der NWL vergleicht die Verkehrssituation in Münster mit Leipzig, Hannover und Karlsruhe oder Mannheim. In allen Städten verkehren Straßenbahnen. Also wissen die Planer*innen auch beim NWL, was wirklich zu tun ist“, betont Werner Szybalski: „In diesen Städten und regionen ist die Straßenbahn das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs.“ Wikipedia weiß zu berichten: „Die Straßenbahn Mannheim / Ludwigshafen ist der wichtigste Träger des öffentlichen Nahverkehrs in Mannheim und in Ludwigshafen am Rhein. Das meterspurige Straßenbahnnetz umfasst derzeit (2012) eine Streckenlänge von 79,4 Kilometern auf Mannheimer und 24 Kilometern auf Ludwigshafener Stadtgebiet. Es ist über zwei – als Eisenbahn konzessionierte – Überlandstrecken außerdem mit der Straßenbahn Heidelberg verknüpft.“

Mit dem ersten Entwurf für eine Stadtbahn Münsterland eröffnete die Münsterliste im vergangenen Jahr die Diskussion. „Klar ist, dass sollte die Verkehrswende in Münster gelingen und der Verkehr nahezu emmissionsfrei sein, muss in der Domstadt die Straßenbahn eine Renaissance feiern und die Stadtregion Münster durch Schienen erschlossen werden. Natürlich brauchen wir aber auch Verbesserungen bei den Eisenbahnwegen. Zum Beispiel die Reaktivierung des Haltepunktes Preußenstadion – gern als Bahnhof“, so Szybalski.

1000 Meter Fußweg

Um tatsächlich fünf zukünftige S-Bahnlinien zu bedienen, kann der neu zu bauende Haltepunkt Preußenstadion eigentlich nur zwischen Fritz-Pütter-Straße und Robert-Bosch-Straße verwirklicht werden. (Karte: openstreetmap.org)

Der offensichtlich einzige mögliche Standort für den zukünftigen Umsteigebahnhof Preußenstadion ist die Fläche des ehemaligen Reserve-Fußballplatzes des ESV Münster sowie die an diesen angrenzenden Flächen. Diese derzeit nur schwer erreichbare Fläche wird eingegrenzt von der Umgehungsstraße sowie von den Schienenwegen nach Dortmund, Dülmen, Coesfeld und Hamm. Gemeinsam mit der Verlängerung der zukünftigen S 5 von Rheine bis zum Preußenstadion könnten so alle fünf S-Bahnlinien, die einmal am Preußenstadion halten sollen, an einem Bahnhof verknüpft werden. Zudem dürfte auch genügend Platz sein, um Züge zu wenden und auch zu parken.

Ein Problem, das durch Neubauten gelöst werden kann, ist natürlich die Zuwegung, zumal für die Zugwartung auch eine Straße hinführen müsste. Zudem ist es recht weit zum Eingang des Preußenstadions an der Hammerstraße. Von den Gleisen des Bahnhofs Preußenstadion sind es knapp 1000 Meter. Das Wohnquartier „Berg Fidel“ ist sogar 1,5 Kilometer entfernt. Ein Vorteil dürfte sein, dass die Fläche vermutlich im Besitz der DB ist.

Auch die heutigen Eurobahnlinien nach Bielefeld und Paderborn sollen zukünftig als S-Bahn (Linie S 9) von Burgsteinfurt nach Hamm verkehren. (Foto: Werner Szybalski)

Klimaneutralität wohl erst 2070

Auch die NaturFreunde Münster kritisieren in ihrer jüngsten Stellungnahme die S-Bahnpläne sowie die lokale Klimapolitik.

Totalversagen beim Klimaschutz

Verkehrswende in Münster schon jetzt gescheitert – Klimagipfel!

Klimaneutralität wird wohl erst 2070 erreicht werden, passend zum „Deutschlandtakt“ der Deutschen Bahn AG konstatiert Münsters NaturFreunde-Sprecher Rüdiger Sagel: „Die Forderung nach einem Klimagipfel stellen wir erneut, denn es handelt sich in Münster um ein Totalversagen aus herrschender Politik im Stadtrat von Grünen bis CDU, Verwaltung unter Oberbürgermeister Lewe sowie Stadtwerken und Wohn- und Stadtbau. Jetzt gibt es von diesen Ablenkungsmanöver da die Verkehrswende schon jetzt gescheitert ist, sämtliche Klimaziele und insbesondere die beschlossene Klimaneutralität 2030 verfehlt wird. Doch die DB AG, die weiter an Münster vorbeiplant, ist nicht an allem Schuld obwohl sie es garniert. Denn es gibt weder eine autofreie Innenstadt noch alternative Verkehrsangebote wie Bus und (Stadt-)Bahn, die den Autoverkehr ersetzen können und daran trägt allein die Stadtpolitik Schuld.

Auch wenn das S-Bahn Netz Münsterland eine Fata Morgana ist und selbst die WLE-Bahnstrecke in immer weitere Ferne rückt: Der Autoverkehr und die PKW Anmeldungen nehmen sogar auch in Münster immer noch weiter zu. Dazu gibt es von der Ratskoalition keine Lösungsvorschläge, nur die Innenstadtbewohnenden werden mit um 2200 Prozent erhöhten Parkgebühren abgezockt und so auf die Gebührenpalme getrieben. Was für ein Desaster!“