Das kommunalistische Projekt Münsterliste – bunt und international
In Berlin trug Werner Szybalski von der Münsterliste gemeinsam mit weiteren Referent*innen vom internationalen, deutschsprachigen Netzwerk für Kommunalismus und vom von Ciudad Migrante im Workshop „Alternative Formen der Basisorganisierung“ beim Recht-auf-Stadt-Forum 2024 vor. Der Westfale zitierte einen Ausschnitt aus dem unten stehenden und ganz unten verlinkten Artikel über das Entstehen und das Programm der kommunalen Wähler*innenliste.
Bei der Kommunalwahl 2020 stellten sich 33 Menschen in Münster (Nordrhein-Westfalen) gemeinsam unter dem Dach des neu gegründeten Vereins „Münsterliste – bunt und international e.V.“ erfolgreich zur Wahl, um kurz nach der Wahl doch zu scheitern. Die links-antiautoritäre kommunalistische Münsterliste bekam auf Anhieb in den 33 Wahlkreisen der Stadt zusammen 1848 Stimmen, was ihr ein Mandat im 66köpfigen Stadtrat einbrachte. Die Universitäts- und Verwaltungsstadt Münster hat aktuell zirka 320.000 Einwohner:innen, wovon 12,4 Prozent (39.514) Ende 2022 nicht im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit waren. Zu ihnen gehörte auch der neue Ratsherr der Münsterliste – er hat einen griechischen Pass.
Die Stadt Münster ist das Zentrum der nach der Stadt benannten Region „Münsterland“ mit rund 1,6 Millionen Einwohner:innen. Die Stadt selbst wurde zuletzt 1975 durch Eingemeindung von über zehn Dörfern und Bauernschaften vergrößert und zugleich in politisch zwei Teile – (progressiver) Kernstadt und (konservativer) ländlicher Stadtrand – geteilt. Dies zeigte sich auch am Ergebnis der Münsterliste 2020, die zwischen 0,44 Prozent in Hiltrup-Ost (südlicher Stadtrand) und 3,37 Prozent im ehemals von Arbeiter:innen dominierten Südviertel am Rande der Innenstadt errang. Angesichts der nur kurzen Vorbereitungszeit von rund neun Monaten ein großer Wahlerfolg der kommunalistischen Liste, der allerdings verpuffte, als der gewählte Mandatsträger schon vor der konstituierenden Sitzung des neuen Stadtrates die Münsterliste verließ, um das Mandat allein und ohne Absprachen (sowie ohne Abführung von Mandatsgeldern) ausüben zu können.
Ungleichheiten beseitigen
Das Ziel der Münsterliste ist die Verwirklichung des „Kommunalen Sozialismus“. Triebfedern für die Gründung der kommunalistischen Liste waren das genannte übergeordnete Ziel und zudem die seit Jahrhunderten bestehenden sozialen Ungleichheiten sowie die durch menschliches Handeln herbeigeführten heutigen und zukünftigen ökologischen Vernichtungen sowohl des Lebensumfeldes als auch des gesamten Planeten. Dazu wurde ein kommunales, egalitäres, antiautoritäres Konzept auf Grundlage der früheren und aktuellen kommunalistischen Erfahrungen, der theoretischen Überlegungen des amerikanischen Denkers Murray Bookchins (1921 – 2006), der aktuellen Forderungen des internationalen Munizipalismus sowie der herrschaftsarmen direkten Demokratie aufgestellt. Vier politische Prinzipien prägen das Konzept der Münsterliste: nachhaltig, sozial, offen und basisdemokratisch. An diesen vier Zielen sollte sich die Politik der Münsterliste in und außerhalb der institutionalisierten Kommunalpolitik messen lassen. Da bei nahezu jeglicher Maßnahme zwischen allen vier Zielen Widersprüche zu erwarten sind, muss jede Maßnahme intensiv diskutiert werden. Dies sollte grundsätzlich nicht nur intern sondern für die Münsterliste für alle interessierten Einwohner:innen offen diskutiert werden. Dabei sollte das zukünftige Ziel, jegliche Maßnahmen der „Öffentlichen Angelegenheiten“ in direkten Versammlungen in den Stadtteilen und Dörfern in Vollversammlungen aller Einwohner:innen zu diskutieren und entscheiden zu lassen.
Kommune selbst verwalten
Die Kommune im Verständnis der Münsterliste ist die Kommune ein Zusammenschluss aller Menschen, die auf einem umgrenzten räumlichen Gebiet ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt besitzen. Die im Grundgesetz verankerte Auffassung, dass die Kommunen oder Gemeinden nicht selbständig sind, sondern staatsorganisationsrechtlich als Teil der jeweiligen Bundesländer und damit nicht als „dritte Ebene“ im föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik zu betrachten sind, lehnt die Münsterliste ab. Das verfassungsrechtlich garantierten Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG), wodurch Gemeinden eine sehr beschränkte Eigenständigkeit erhalten, muss nach Auffassung der Münsterliste neu interpretiert werden. Das deutsche Grundgesetz bestimmt, dass Kommunen die Möglichkeit gegeben werden muss, „[…] alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Fällt „im Rahmen der Gesetze“ weg, ist die Basis für eine kommunalistische eigenverantwortliche Selbstbestimmung der örtlichen und allgemeinen öffentlichen Angelegenheiten gewährleistet.
Die Kommunen in Deutschland sind seit der französischen Besetzung der deutschen Länder durch die Armeen Napoleons Anfang des 19. Jahrhunderts im Staatsaufbau abhängige Basisinstitution der jeweiligen Herrschaft. Der skandinavische Kommunalist und Wissenschaftler Eirik Eiglad analysierte: „Alle Macht, über die Nationalstaaten heute verfügen, besitzen sie auf Kosten volksbasierter und demokratischer Formen der Staatsgewalt. Wir [Kommunalist:innen] sind der Auffassung, dass die Gemeinde eine grundlegende menschliche Einrichtung ist und somit wieder an politischer Macht gewinnen sollte. […] Kommunalist:innen streben zweitens danach, bestehende Kommunen zu demokratisieren, indem deren Bürger:innen an der Macht teilhaben. Es reicht nicht die Macht der Kommunen zu stärken; sie müssen auch grundlegend restrukturiert werden.“
Die Münsterliste vertritt dabei das Konzept „Kommune selbst verwalten“. Dies beinhaltet grob skizziert, die Abschaffung der bestehenden parlamentarisch-demokratisch besetzten Gremien in der Kommune (Stadt- und Gemeinderäte, durch die Räte besetzte Ausschüsse und sonstige Institutionen wie zum Beispiel Aufsichtsräte, Beiräte, Bezirksvertretungen und andere direkt oder indirekt gewählte untere und obere Gremien) und Ersetzung durch Versammlungen aller Einwohner:innen in den Stadtteilen und Dörfern, die nach Diskussion direkt und unmittelbar entscheiden, sowie durch die mit imperativem Mandat ausgestattete Delegiert:innen in den Gremien der übergeordneten Konföderation(en) (siehe unten). Auch die Kommunalverwaltung mitsamt direkt oder indirekt gewählter Führungselite, die natürlich abgelöst werden muss, muss verändert werden, da sie in der bestehenden Form seit Napoleon auf „Befehl und Gehorsam“ aufgebaut ist, womit sie lediglich ein Machtinstrument der im Staat Herrschenden ist. Die örtliche Verwaltung muss ein Instrument zur Selbstverwaltung der Einwohner:innen werden.
Die einzelnen Bereiche der örtlichen öffentlichen Aufgaben in der Kommune werden von beschäftigten Mitarbeiter:innen übernommen, die von direkt gewählten Einwohner:innen geführt werden. Deren Amtszeit ist zeitlich (zum Beispiel auf ein Jahr) begrenzt ist und die jeweilige Führung erfolgt kollektiv. Auch Mitarbeiter:innen des jeweiligen Aufgabenbereichs können Teil des kollektiven Leitungsteam werden. Dabei sind grundsätzlich die Kommune weiten Selbstorganisationen der örtlichen Vereinigungen wie zum Beispiel Umweltforen, Stadtsportbünde, Stadtjugendringe, Kleingartenverbände, Heimatbünde, usw. als für ihren Aufgabenbereich federführende Institutionen anzusehen und zumindest zu beteiligen, falls sie im jeweiligen Stadtteil oder Dorf nicht durch eigene selbständige Vereinigungen präsent sind. Ein Beispiel: Die örtlichen Umwelt- und Naturschutzgruppen sind für die ökologischen intakten Verhältnisse in ihrem Stadtteil oder Dorf verantwortlich. Geschützte Flächen werden von ihnen verwaltet und verteidigt. Alle kommunalwirtschaftlichen Aufgaben (siehe auch „Daseinsvorsorge als bedingungslose Grundsicherung“) werden nicht mehr von Kapitalgesellschaften durchgeführt und verantwortet sondern als Eigenbetriebe – mit beschäftigten Mitarbeiter:innen und gewählte kollektiven Leitungen – geführt.
Daseinsvorsorge als bedingungslose Grundsicherung
Der Wissenschaftler Klaus Dörre plädiert für eine bedingungslose Grundsicherung der Menschen: „Gesellschaften funktionieren am besten mit einer gut ausgebauten Nahversorgung und Daseinsvorsorge, die allen zur Verfügung steht.“ Für die amerikanische Philosophin Nancy Fraser gehören zu den Grundbedürfnisse der Menschen: „Unterkunft, Kleidung, Nahrung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport, Kommunikation, Energie, Freizeit, sauberes Wasser und saubere Luft zum Atmen.“ Dabei verdeutlicht Fraser, dass die Daseinsvorsorge auch dem Wandel unterliegt: „Es stimmt natürlich, dass wir nicht ein für alle Mal festlegen können, was genau als Grundbedürfnis gilt und was genau erforderlich ist, um es zu befriedigen. Auch das muss Gegenstand demokratischer Diskussionen, Auseinandersetzungen und Entscheidungen sein. Aber was auch immer dazu gezählt wird, muss als Rechtsanspruch bereitgestellt werden und nicht auf der Grundlage der individuellen Zahlungsfähigkeit.“ Nancy Fraser verdeutlicht, dass die genannten „Gebrauchswerte, die wir zur Befriedigung dieser Bedürfnisse produzieren, keine Waren sein können, sondern sie müssen öffentliche Güter sein.“ Sie fordert: „Eine sozialistische Gesellschaft sollte sie aber als öffentliche Güter betrachten. Es sollte an der Basis keine Märkte geben.“
Kommunale Daseinsvorsorge umfasst für die Münsterliste die Bereiche Essen und Trinken, Wohnen, Gesundheit und Pflege, Bildung, Information, Ver- und Entsorgung (Wasser, Strom, Wärme, Kommunikation, Abfall, Abwasser) sowie lokale und regionale Mobilität. Ziel der Münsterliste ist es, diese Daseinsvorsorge allen Einwohner:innen der Kommune kostenfrei und in „haushaltstypischen“ Mengen zur Verfügung zu stellen. Finanziert werden soll diese mit möglichst großer kommunaler Autarkie gestellte Daseinsvorsorge, die natürlich kritische Produkte von Alkohol über Süßigkeiten bis Atomstrom oder räumlich begrenztem Flugverkehr nicht beinhaltet, durch eine 75prozentige Abgabe auf alle Verdienste und Einkommen der der Kommune angehörigen Einwohner:innen. Mit den verbleibenden 25 Prozent des Einkommens, was für alle Normalverdiener:innen deutlich mehr an Finanzvolumen ist, als sie heute abzüglich der oben genannten Daseinsvorsorge zur Verfügung haben, können alle weiteren Wünsche (wie Urlaub, Genussmittel, kulturelle und sportliche Aktivitäten, etc.) erfüllt werden.
Da es natürlich auch Menschen gibt, die zum Beispiel durch Alter oder Handicap selbst nicht die Möglichkeit haben, Einkommen zu generieren, muss für diese ein zusätzliches Budget für den Zugang zu oder Erwerb von sonstigen Waren und Konsummöglichkeiten geben. Allerdings betrifft dies deutlich weniger Menschen als in der heutigen Gesellschaft, da im Kommunalismus oder Kommunalen Sozialismus sämtliche Care-Arbeit der Einwohner:innen vergütet werden soll. Selbst die Ausbildung, die später natürlich der Gemeinschaft zu Nutze sein wird, muss dann mit Einkommen vergütet werden. Als deutliches Beispiel ist das Krabbelkind in der Tageseinrichtung für Kinder. Die dort verbrachte Zeit wird dem Kind finanziell vergütet. Dies geht über die gesamte Ausbildung bis zum Abschluss so weiter. Lediglich rein private, also praktisch intime, Fürsorge, die vermutlich auch niemand in der Gemeinschaft als „Beitrag zur Gesellschaft“ reklamieren dürfte, wird nicht durch Einkommen entlohnt.
Dies ist finanziell keinesfalls unrealistisch. Heute werden zum Beispiel in Deutschland den erwerbstätigen Menschen grundsätzlich über 50 Prozent des Einkommens für Steuern, Gebühren und Sozialabgaben abgezogen. Zusätzlich kommen die bei bedingungslose Grundsicherung wegfallenden – angeblich nicht mehr als 30 Prozent des Einkommens betragenden – Wohn- und Wohnnebenkosten, die Basisernährung sowie die Leistungen für Bildung, Information, Ver- und Entsorgung sowie die lokale und regionale Mobilität hinzu, womit auch die Care-Kosten ausgeglichen sein dürften.
Stadtregion als Konföderation der Stadtviertel und Dörfer
Um die Daseinsvorsorge als bedingungslose Grundsicherung möglichst autark zu gewährleisten, was natürlich niemals zu 100 Prozent gelingen wird, müssen die kommunalistischen Gemeinschaften ein bestimmte Größe an Menschen und auch Fläche (zur Erzeugung der Lebensmittel und zum Beispiel zur Erzeugung der Energie sowie auch der Abfallentsorgung, soweit sie dieser nicht wiederverwertet werden kann) haben. Die Münsterliste schätzt, dass praktisch das gesamte Münsterland mit den rund 1,6 Millionen Einwohner:innen als oberste kommunale konföderative Einheit zusammengehören muss. Diese Stadtregion, für die es ansatzweise in Hannover und Aachen existierende Beispiele gibt, müsste möglichst viele der notwendigen Ressourcen beinhalten, was natürlich bei großen Städten wie Berlin mit über 3,4 Millionen Einwohner:innen oder gar bei den globalen Megastädten wie zum Beispiel Tokio (37,2 Millionen Einwohner:innen), Delhi (32,9), Shanghai (29,2), Dhaka (23,2), São Paulo (22,6), Mexiko-Stadt (22,3), Kairo (22,2) oder Peking (21,8) nur mit gewaltigen „Hinterland“ der Städte möglich sein wird. Auch da wird eine Dezentralisierung in der Konföderation notwendig sein, um die aufgezeigte kommunale Daseinsvorsorge möglichst autark zu gewährleisten.
Öffentliches Eigentum stärken
Um die Daseinsvorsorge als bedingungslose Grundsicherung dauerhaft zu sichern, muss der Grund und Boden sowie alle Gewässer in der Gemeinde in öffentlich Besitz gelangen. Damit wird der, wie schon Karl Marx schrieb, „das Eigentum an Grund und Boden, die Quelle allen Reichtums“ in Gemeinbesitz der jeweiligen Kommune überführt. Dies geschieht nicht zwingend revolutionär, sondern kann auch durch die notwendigen Abgaben in Höhe von 75 Prozent bei Vererbung erfolgen. Als Sofortmaßnahme möchte die Münsterliste allen Besitz an Grund und Boden ausschließlich in der Gemeinde wohnenden Menschen ermöglichen. Nicht ortsansässige Privatpersonen und alle Gesellschaften – sofern diese in kommunalen oder staatlichen Besitz sind geht der Boden direkt in den Gemeindebesitz über – müssen also ihren Bodenbesitz abgeben, damit die Gemeinde mit ihren eigenen Ressourcen möglichst optimal die Einwohner:innen versorgen kann.
Ungleichheitskonflikte
Wie schon oben benannt, ging und geht es den Mitgliedern der Münsterliste insbesondere um die Positionierung innerhalb der in der Gesellschaft und natürlich auch den lokalen Gemeinschaften existierenden Ungleichheitskonflikte. Die Münsterliste ist antiautoritär sozialistisch ausgerichtet, was bedeutet, dass neben möglichst viel Freiheit für den Einzelnen möglichst viel Gleichheit der Lebensbedingungen angestrebt wird. „Wem steht was zu?“ Diese Frage ist in jedem der vier Ungleichheitskonfliktfelder nach dem genannten Prinzipien auszuhandeln.
Die trotz zahlreicher Überlappung relativ eigenständig zu betrachtenden Bereiche der jeweiligen Ungleichheitskonfliktfelder sind „Oben-Unten-Ungleichheit“, „Innen-Außen-Ungleichheit“, „Wir-Sie-Ungleichheit“und „Heute-Morgen-Ungleichheit“. Sie passen zu den Prinzipien der Münsterliste: sozial und offen, basisdemokratisch sowie nachhaltig. Oben-Unten-Ungleichheit, so die deutschen Soziologen Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser, ist durch sozioökonomische Verteilungskonflikten, also der klassischen sozialen Frage, gekennzeichnet. Innen-Außen-Ungleichheit beschreibt die Kontroversen um Migration, territorialen Zugang und Inklusion. Wir-Sie-Ungleichheit umfasst die Teilhabe für alle und insbesondere die identitätspolitischen Anerkennungskonflikte. Heute-Morgen-Ungleichheit schließlich umfasst das im Kommunalismus sehr bedeutende Konfliktfeld der umweltpolitischen Auseinandersetzungen, in der Murray Bookchin mit seinen Werken zu „Sozialer Ökologie“ interessante Überlegungen zur Beziehung der Umwelt und der Erscheinungsform der Gesellschaft veröffentlicht hat.
Die Münsterliste hat dazu 2020 die vier Prinzipien nachhaltig, sozial, offen und basisdemokratisch als politisches Hilfsmitte zur Konfliktlösung gefunden:
→ sozial
Münster ist sicherlich keine arme Stadt. Trotzdem leben viele Münsteraner:innen mit einem sehr kleinen finanziellen Budget. Münster kann mehr! Auch wenn viele Unterstützungen für Menschen mit geringem oder keinem Einkommen auf Landes- oder Bundesgesetzen beruhen, kann auch die Stadt Münster sehr viel mehr für ihre Einwohner:innen ohne Vermögen oder ohne gutes Einkommen tun, als es bislang bei uns der Fall ist.
In Münster lebt es sich sehr gut, wenn genügend Einkommen oder Vermögen vorhanden ist. Für immer mehr Menschen wird es aber immer schwieriger in unserer Stadt zu (über)leben. Die Mieten steigen scheinbar unaufhörlich und die vorhandene Stadtentwicklungspolitik nimmt wenig Rücksicht auf die Menschen und stellt den Profit von Unternehmen in den Mittelpunkt. So kommt es immer wieder zur Verdrängung selbst alteingesessener Viertelbewohner:innen und der örtlichen Handwerksbetriebe sowie der Kleingewerbetreibenden.
Geschätzt bis zu 80.000 Menschen mit direkter Migrationsvorgeschichte leben in der Stadt. Obwohl viele inzwischen durch Selbstständigkeit in Handel, Gastronomie und Gewerbe schon zu tragenden Säulen unserer Gesellschaft geworden sind und noch mehr insbesondere im Dienstleistungssektor – leider allzu häufig in ungesicherten Minijobs oder auch illegal beschäftigt – tätig sind, ist dies in den Führungsetagen unserer Stadtverwaltung, den städtischen Gesellschaften und Unternehmungen und allerdings auch in den Leitungsgremien wichtiger Vereinigungen in Münster kaum zu bemerken. Dies gilt genauso für die aufgrund ihres geringen Einkommens oder Vermögens sozial Ausgegrenzten in Münster. Es ist unerträglich, dass die „Münster-Tafel“, die an ihren 21 Ausgabestellen in der Stadt nur Essen und Waren nach Vorlage eines Nachweises (zum Beispiel Hartz IV-Bescheid oder Grundsicherungsnachweis) für zwei Euro ausgibt, nach eigenen Angaben bereits wöchentlich über 10.000 „Kund:innen“ hat.
- Gründung einer niedrigschwellige Beratungs- und Hilfeeinrichtung für Münster. Diese soll durch einen offenen, unabhängigen, dauerhaft kommunal finanzierten Verein, der auch kostenlose Rechtsberatung anbietet, getragen werden. Die Beratungen sollen bei aus dem Ausland Zugezogenen möglichst in deren Sprache erfolgen.
- Einführung eines den „neuen“ Münsterpass – digitalisiert mit Passbild und integriertem Chip, so dass der neue Münsterpass auch zum Bezahlen genutzt werden kann. Er soll zudem an alle Einwohner:innen mit Bedarf ausgegeben werden. Dazu gehören auch Münsteraner:innen mit nachgewiesenem geringen Einkommen im Vorjahr. Zudem müssen die Leistungen ausgeweitet werden. Die Bus- und möglichst auch die Bahnnutzung im Stadtgebiet soll für Münsterpassinhaber:innen kostenfrei werden. Mehrere kostenfreie Schwimmbadbesuche im Jahr, die kostenlose Ausleihe in der Stadtbücherei und weitere Vergünstigungen gehören ebenso dazu.
- Armut durch Förderung der Selbsthilfe bekämpfen. Teilhabe aller Einwohner:innen dezentral ermöglichen. Abbau von institutionellen Hürden bei der kommunalen Unterstützung für Menschen mit geringem Einkommen.
- Sicherung des „Menschenrechts auf Wohnen“ durch eine kommunale Satzung.
- Mehr – insbesondere öffentlich geförderter – Wohnungsbau durch Wohn- und Stadtbau, anderer städtischer Träger sowie durch gemeinnützige Genossenschaften und Vereine. Kommunale Förderung aller gemeinschaftlichen Wohnformen.
- Einrichtung eines Mieter:innenrates bei der städtischen Wohn- und Stadtbau. Verpflichtung zu Schaffung sozialer Treffpunkte für Mieter:innen in deren Wohnquartieren durch die Vermieter:innen.
- Wissen und Erfahrung der Menschen in der älter werdenden Gesellschaft für die kommunale Entwicklung nutzen. Stärkung der stadtteilorientierten Institutionen. Förderung der Selbstverwaltung der Einrichtung für ältere Einwohner:innen.
- Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder in der Stadt. Schaffung von selbstverwalteten Einrichtungen für Jugendliche.
- Stärkung der stadtteilorientierten Mehrsparten-Sportvereine mit Angeboten für Einwohner:innen jeden Alters.
→ offen
Münster wird schnell das Etikett „provinziell“ angeheftet. Tatsächlich mahnen noch immer die Körbe an der Lambertikirche – Münster solle auf Experimente verzichten. Aber das Stadtklima änderte sich in den vergangenen 50 Jahren erheblich. Der SC Preußen Münster stieg zwar inzwischen bis in die vierte Liga ab, aber Münster wurde – dank der Studierenden und mutiger Kulturschaffender – weltoffener und internationaler. Aus dem muffigen „Schreibtisch Westfalens“ der Preußenzeit ist eine bunte und internationale Stadt geworden, in der sogar die katholischen Frauen („Maria 2.0“) zum Kirchenstreik aufrufen.
Diese Offenheit in unserer Stadtgesellschaft möchten wir erhalten. Sowohl Zugezogene als auch Einheimische sollen aber trotz ihrer Individualität zu einer noch besseren lokalen Gemeinschaft zusammenfinden. Dies geht am besten in den Dörfern, Nachbarschaften und Stadtvierteln. Dort ist es kein Problem, wenn die Nachbarin zunächst durch die Geburtsurkunde als männlich festgelegt wurde oder der hilfsbereite Handwerker aus dem Nebenhaus seine Fähigkeiten in Syrien erlernte. Gut ist auch, dass die beiden zufriedenen Männer im Dachgeschoss inzwischen verheiratet sind und dass die pflegebedürftige Altmieterin im Parterre – Dank der hilfsbereiten Nachbarschaft – weiterhin in ihrem langjährigen Wohnumfeld bleiben kann.
Dieses – natürlich nicht immer stressfreie – Miteinander ist nicht selbstverständlich. Die Stadtgesellschaft und auch Politik und Verwaltung müssen einerseits dafür sorgen, dass die Nachbarschaften und lokalen Vereinigungen erhalten bleiben und dass andererseits ganz Münster offen bleibt – auch und gerade für die vielen Menschen die aus nah und fern nach Münster kommen, um zu bleiben.
- Unterstützung bei Rettung, Aufnahme und Integration von geflüchteten und flüchtenden Menschen. Sofortige Aufnahme von 372 Menschen in Münster, die aus Seenot gerettet wurden.
- Aktive und finanzielle Unterstützung der privaten Seenotrettung – nicht nur im Mittelmeer – durch die Stadt Münster und ihrer Einwohner:innen.Abschaffung von Sammelunterkünften.Weiterentwicklung der vorhandenen Willkommenskultur zu einer Willkommensstruktur.
- Gründung eines selbstverwalteten „Hauses der Kulturen“.
- Wahl eines*r ehrenamtlichen Bürgermeister*in mit dem Aufgabenschwerpunkt „Zugezogene aus dem Ausland“ durch den Integrationsrat der Stadt Münster.
- Stärkere Förderung der Migrantenselbstorganisationen (MSO´s) in unserer Stadt und mehr Eigenmittel für den Integrationsrat der Stadt Münster.
- Bevorzugte Einstellung von Bewerber:innen mit Migrationsvorgeschichte – bei gleicher Qualifikation – in der Verwaltung der Stadt sowie den öffentlichen, kommunalen Einrichtungen.
- Kein Mensch ist ohne Handicap. Beseitigung der sozialen, politischen und baulichen Hürden in der Stadt.
- Gründung und Aufbau eines „Friedenshauses“, in dem Gespräche zur Lösung von kleineren und größeren – bis hin zu internationalen – Konflikten gesucht werden können.
- Umbenennung der „Danziger Freiheit“ in „May-Ayim-Platz“, um die in Münster aufgewachsene Lyrikerin und afrodeutsche Aktivistin zu ehren und ein sichtbares Zeichen gegen Ausgrenzung und Rassismus sowie für Münsters Internationalität zu setzen.
→ basisdemokratisch
In unserer Stadt gibt es eine hoch engagierte Zivilgesellschaft. Sie reicht von punktuellen Bürgerinitiativen über die Stadtteilarbeit in viele kommunalpolitisch relevante – aber natürlich auch überörtliche bis globale – Aufgabenfelder. Allerdings haben diese Vereine, Gruppen und Initiativen wenig Einfluss und praktisch keine kommunalen Entscheidungsrechte.
Die „Münster Liste – bunt und international“ tritt bei der Kommunalwahl an, um den Menschen durch ihre Vereinigungen direkten Einfluss auf die Entscheidungen in ihrem Lebensumfeld zu geben. Das zivilgesellschaftliche Potenzial kann genutzt werden, um in Münster die Kommunale Selbstverwaltung zur durch die Einwohner:innen selbst verwalteten Kommune weiter zu entwickeln. Dazu müssen keine Landes- oder Bundesgesetze sowie EU-Vorschriften geändert werden.
Im Sport in Münster gibt es diese Selbstverwaltung schon seit Jahrzehnten. Die Überlassung von Sportanlagen war ein erster Schritt mit Selbstverwaltung öffentlicher Aufgaben durch die gemeinnützig organisierten Einwohner:innen. Besonders wichtig war, dass mit dem Stadtsportbund schon seit über 100 Jahren eine stadtweite Organisation besteht, der alle Vereine angehören, die öffentliche Aufgaben im Sport wahrnehmen. Dieses Selbstverwaltungsorgan ist in der Lage, durch die Aktiven im Verband und den Vereinen zu einem demokratisch verfassten, transparenten Koordinationsgremium weiterentwickelt zu werden, das selbstbestimmt die gemeinnützigen sportlichen Aufgaben für die gesamte Stadt verwaltet. Dabei müssen die beteiligten Vereine offen für alle Einwohner:innen sein und zudem möglichst transparent arbeiten. Eine Veröffentlichung des Jahresberichts über die zurückliegenden Tätigkeiten sowie der dafür aufgewendeten Finanzen muss jeweils im ersten Halbjahr obligatorisch sein. Dies gilt im Rahmen des Konzeptes „Kommune selbst verwalten“ natürlich für den jeden Stadtverband und seine Mitglieder.
Auch die bestehenden kommunalen Selbstverwaltungsgremien – insbesondere die Bezirksvertretungen – müssen gestärkt werden und zusätzliche Entscheidungsrechte sowie einen größeren Etat erhalten. Auch die Stadt Münster muss mehr Ressourcen und Selbstverwaltungsrechte vom Land NRW erhalten.
- Einstieg in das Konzept „Kommune selbst verwalten“ mit mehr eigenständigen Beschlussfassungen in Fachausschüssen und lokalen Gremien der Einwohner:innen. Verstärkte Überlassung kommunale Flächen und Einrichtungen in Selbstverwaltung durch offene, gemeinnützige, transparente, lokale Vereinigungen.
- Dezentralisierung der kommunalpolitischen Entscheidungen und der öffentlichen Verwaltung bei Erweiterung des Mitbestimmungsrechts der Einwohner:innen der Umlandgemeinden an Entwicklung Münsters. Erweiterung der Entscheidungsrechte der Bezirksvertretungen. Mehr kleinräumige Einwohner:innenbeteiligung durch Versammlungen und Befragungen.
- Frühere Information und Beteiligung der Einwohner:innen.
- Insbesondere in den umliegenden – zur Stadt gehörenden – Dörfern aber auch in den Stadtteilen Münsters benötigen soziale Initiativen selbst verwaltete, dauerhaft und langfristig kommunal finanzierte Läden und Zentren. Wir wollen allen Einwohner:innen Münsters die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch stadtweite Beratungs- und Hilfeeinrichtungen ermöglichen.
- Stärkung der Bezirksvertretungen.
- Einberufung von Einwohner:innenversammlungen, wenn dies von mindestens 350 Einwohner:innen oder zwei Rats- oder Bezirksvertretungsfraktionen schriftlich verlangt wird. Mehrheitsbeschlüsse dieser Versammlungen sollen grundsätzlich umgesetzt werden.
- Gemeingut gehört allen Einwohner:innen. Öffentliche Infrastruktur muss bezahlbar sein und allen zur Verfügung stehen. Privatisierungen stoppen und kommunale Einrichtungen und Betriebe wieder zurück in die demokratische Kontrolle der Einwohner:innen bringen.
- Digitalisierung unter Einwohner:innenbeteiligung in Richtung „Open City“ beziehungsweise „Sharing City“ (statt „Smart City“) entwickeln und ausbauen.
- Gerechte kommunale Steuerhebesätze einführen. Kommunale Unterstützung für Soloselbständige und Förderung von ausgewählten Startups. Fristlose Beschäftigung von lange erwerbslosen Menschen in kommunalen oder gemeinnützigen Betrieben, Einrichtungen, Vereinigungen.
→ nachhaltig
Der Klimawandel betrifft Münster nicht nur, sondern wird durch unser tägliches Handeln in unserer Stadt sogar verstärkt. Wollen wir den Klimawandel bremsen, muss der Umgang mit den natürlichen Ressourcen und unser Umwelt und Natur sich umfassend verändern – auch in Münster. Ein unbeschränktes Wachstum unserer Wirtschaft sowie unsere verbrauchsorientierte Lebensweise ist in einem von Natur aus begrenzten Lebensraum nicht möglich, ohne die Entwicklungschancen künftiger Generationen massiv zu beschneiden.
Es ist unsere Aufgabe die Natur- und Umweltressourcen für die nachfolgenden Generationen zu bewahren, die Artenvielfalt zu erhalten, die Kultur- und Landschaftsräume dauerhaft zu sichern und effektive Klimaschutz-Initiativen zu starten. Nachhaltigkeit muss in allen (kommunalen) Politikfeldern mitgedacht werden. Auch in der Sozial- und Finanzpolitik muss in Münster Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnen. Dies insbesondere zum Wohl zukünftiger Generationen.
In zwei Schritten machen wir die Innenstadt Münsters immissionsarm.
- Fahrzeuge mit Verbrennermotor dürfen mittelfristig nicht mehr in die Innenstadt.
- Den Gütertransport organisieren wir gemeinsam und kommunal. Dazu wird – vergleichbar mit dem Bussystem – ein Öffentlicher Güternahverkehr (ÖGNV) in Münster eingerichtet.
- Der Busverkehr in der Innenstadt wird kostenfrei nutzbar.
- Vorrang für den Umweltverbund aus Fuß-, Rad- und Öffentlichen
- Personennahverkehr (ÖPNV) mit Bus und Bahn.
- Abbau von Verkehrsregelungen in der Innenstadt und Einführung des „shared space“ auf vielen Wegen und Plätzen.
- Senkung der Regelgeschwindigkeit in der Stadt auf 30 km/h beziehungsweise auf Schrittgeschwindigkeit im Umfeld von Einrichtungen für Kinder oder für Menschen mit Handicap.
- Wegfall aller kostenfreien Parkplätze.
- Ausstieg aus dem Kurzstreckenflugverkehr.
- Sofortiger Ausstieg aus dem Atomstrom und zügiger Ausstieg aus dem Kohlestrom – dafür klimaneutrale Energieversorgung.
- Begrünung der nicht für Solarstromerzeugung genutzten Dächer.
- Baumschutzsatzung für Münster.
- Einführung der Kreislaufwirtschaft mit bevorzugt lokalem und regionalem Wirtschaftskreisen.
- Verpackungssteuersatzung zur Reduzierung des Plastikmülls.
- Förderung des Urban Farming und Gardening.
- Verpflichtung zur ökologischen Landwirtschaft auf allen im kommunalen Besitz befindlichen Agrarflächen.
- Erwerb von Agrarflächen und Umwandlung in der Natur überlassene Wälder sowie naturnahe Freizeitflächen und Gemeinschaftsgärten für die alle Einwohner:innen.
Die Nachhaltigkeit spielt angesichts des Klimawandels und der aktuellen Erderwärmung um sicherlich schon jetzt 1,5 Grad gegenüber der Vorindustrialisierung eine besondere, fast könnte es „übergeordnet heißen, Rolle für die Münsterliste. Sie versteht den Menschen als Teil der natürlichen, zufälligen an Nischen orientierten Evolution und keinesfalls als „Krönung der Schöffung“. Deshalb muss sich der Mensch ebenso wie Fauna und Flora an das ökologische Gleichgewicht anpassen und Veränderungen und Ausnutzung zukünftig gleichwertig ausgleichen.
Staatliche Repressionsmittel fallen weg
In der kommunalistischen örtlichen Gemeinschaft werden selbstverständlich auch Konflikte und zudem auch Gewalt auftreten. Während Konflikte grundsätzlich auch positiv für die Entwicklung einer Gemeinschaft sein können oder sogar sollten, ist Gewalt ein Problem, dass die jeweilige lokale Gemeinschaft in den Griff bekommen muss. Da die klassischen Repressionsmittel der heute und früher Herrschenden – dazu gehören Militär, Polizei, Ordnungsamt, Justiz – wegfallen, ist die Vollversammlung der betroffenen Einwohner:innen für die Lösung der Probleme zuständig. Die in der parlamentarischen Demokratie übliche Gewaltenteilung fällt weg, da die direkten örtlichen Versammlungen der Menschen – und in überörtlichen Fällen die Organe der Konföderation – allein die gesetzgeberische, richterliche und ausführende Gewalt ausüben.
Das kommunalistische Projekt Münsterliste – bunt und international oder in spanisch: El proyecto municipalista Münsterliste – colorido e internacional