Nachbarschaftsevent mit 250 dezentralen, nicht kommerziellen Einzelveranstaltungen
Von Werner Szybalski
Münsters Innenstadt bot am Samstag (14. Juni 2025) überraschend viel Platz. Einerseits schien das schwül-heiße Wetter die Menschen vom Wochenmarktbesuch und Einkaufsbummel abzuhalten und andererseits gab es mit dem riesigen 4tel-Fest in Mauritz eine Alternative, um sich bei Temperaturen von deutlich über 30 Grad im Südosten der Innenstadt Münsters rundum verwöhnen zu lassen. Zumindest war das Gedränge vor dem Zelt auf Linnenbrinks Garten am Mittag, als die 4tel-Blaskapelle aufspielte, deutlich größer als an einem von mir regelmäßig am Samstag aufgesuchten Marktstand auf dem Domplatz. Seit dem frühen Samstagmorgen war zwischen Bahnlinie, Ring und Wolbecker Straße überall Bewegung. Die Menschen schleppten Tische, Stühle und Kisten voller Flohmarktangebote vor ihre Haustür. Aufgrund des Wetters waren die im Vorteil, die auch einen großen Sonnenschirm aufspannen konnten, denn dann blieben die lustwandelnden Festbesucher:innen noch ein wenig länger am jeweiligen sonnen-geschützten Stand.

Musik, Musik und Tanz bis in den frühen Morgen
Schon vor dem offiziellen Beginn erklingt das Mauritzviertel beim 4tel-Fest. Bevor Dirk Lenzing vom zehnköpfigen, ehrenamtlichen Orga-Team des 4tel-Festes die Besucher:innen begrüßen konnte, hatte epiFUNias, der Gospelchor an der Epiphaniaskirche, schon die Ohren der Menschen erfreut und damit auch vor die überdachte Holzterrasse im ehemaligen Garten Linnenbrinks gelockt. Nach Begrüßung erfolgte seit Jahren traditionell die Eröffnung durch die anlässlich des Festes gegründete 4tel-Blaskapelle. Anschließen wurde es bunt und vielfältig, denn nach den Trommler:innen von Canarinhos und die Bandidas sang der erste Schwulenchor Münsters: Homophon.

Nach dem Mitsingen waren Einfälle des Publikums gefordert, denn die pg-Improshow mit der Theatermafia aus dem ehemaligen Paul-Gerhardt-Haus spielt witzige, skurrile und spontane Szenen – ausschließlich auf Zuruf der Zuschauer:innen.
In der größten Nachmittagshitze setzte die Liveband des Hip-Hop-Projekt Hello my name is schwitz-technisch noch eins drauf, denn wer beim Hip-Hop-Sound nicht in Tanzbewegungen verfiel, der war an einem der unkommerziellen Getränkestand des Fest besser aufgehoben.
Auf dem Tanzboden ging es immer weiter und es wurde immer später. „In den ersten Jahren war bei diesem Fest um 18 Uhr Schluss. Inzwischen schwappt es durch die Nacht bis in den Sonntagnachmittag – zumindest hier an Linnenbrinks Garten“, schwärmte Katharina Grosse am Sonntagvormittag beim ersten Auswertungsbesprechungstermin von der vergangenen Nacht: „Hier lief ja zunächst Livemusik und später gab es coole Vibes und lässige Grooves von Afrika Garage & Soul Palace. als es schließlich dunkel wurde, trauten sich auch die Kids auf die Terrasse, um ihre ersten Tanzerfahrungen zu sammeln. Es waren ganz, ganz viele junge Leute un mittendrin auch 70-Jährige.“
Mehr Flohmarktstände als Ecken im Viertel
Traditionell lebt das 4tel-Fest von verschiedenen Säulen. Eine davon sind die unzähligen nicht kommerziellen Flohmarktstände, die maßgeblich das Erscheinungsbild des Festes prägen. Da gab es alles zu kaufen und vielfach waren zudem Give-away-Boxen aufgestellt, aus denen sich Passant:innen kostenfrei bedien durften.

Angeboten wurden an den Flohmarktständen, deren Anzahl die Zahl derStraßenecken in Mauritz-West zu übertreffen schien, Kinder-Spielsachen, Kinderklamotten, Secondhand-Kleidung, Schmuck, selbst gemachte Armbänder und Ketten, Trödel, Kleidung, Schuhe, Textilien, Bilder, Spiele, KrimsKrams, Haushaltskram, Comics, Vintage, Kinderfahrräder, Croozer, Hundeanhänger, Edles, Puzzles, Kleidung, Geschirr, persische Teppiche, englische und deutsche Bücher, Pflanzen, CDs und, und, und . . . In der Brüderstraße boten zum Beispiel Marie und Ben Babykleidung, Spielzeug, Bücher und Haushaltssachen an ihrem Stand an.
Im Garagenflohmarkt von Carsten Dierk in der Brüderstraße wollte er gut erhaltene Dingen wie Koffer, Textilien, Gläser und Haushaltsgeräte die Chance auf ein besseres Dasein geben. Nicht weit davon entfern bot Bianca JohannsenGestricktes und Gehäkeltes für Groß und Klein, mit Hausflohmarkt verschiedene Handarbeiten, gestrickt und gehäkelt, mit Hausflohmarkt, da ist für jeden etwas dabei! Bianca Johannsen Gestricktes und Gehäkeltes für Groß und Klein an.
Taschen mit 4tel-Fest-Logo
„Ein ganz besonderes Highlight für mich war, als ich am Samstag an der Ecke Heisstraße auf die Frau mit den selbst produzierten Taschen traf, die sie für nur fünf Euro verkaufte. Auf der Seite war unser dreieckiges Viertellogo aufgedruckt und auf Wunsch stempelte sie den Taschenkäufer:innen die Position deren Lieblingsstandes auf die Tasche. Ich freue mich schon, wenn ich bald beim Einkaufen Menschen mit dieser 4tel-Fest-Tasche sehe“, erzählte Dirk Lenzing.

Flohmarkt im Garten
Neben den unzähligen Flohmarktständen ist eine weitere Erfolgssäule des 4tel-Festes der Blick in Nachbars Garten. Dies insbesondere dann, wenn außerhalb des Festes der Garten von der öffentlichen Straße aus nicht einsehbar ist. Die Kombination aus den beiden Zugpferden Flohmarkt und Garten boten in der Brüderstraße Susanne und Mina. Sie präsentierten ihrem Garten in dem sie Damenkleidung, allerlei Gedöns, Bücher, Spiele und hübsche Habseligkeiten verkauften.
Vieles drehte sich um Ökologie und Nachhaltigkeit
Greenpeace Münster informierte an der Warendorfer Straße über Meeresschutz und präsentierte zudem für ein kleines lokales Bündnis, das für eine kommunale Verpackungssteuer eintritt, einen Esstisch, der je zur Hälfte mit Einweg- und Mehrweggeschirr gedeckt war.
Die Grünen Münster nutzen das 4tel-Fest nicht nur für politische Arbeit, sondern verteilten auch kostenlos regionales Wildpflanzensaatgut, bei dem zehn Gramm Saatgutmischung für rund einen Quadratmeter reichen. Ihr Co-Sprecher des Kreisverbands, Jörg Rostek, erläuterte am Infostand: „Seit Mai haben wir in Münster bereits 17 Kilogramm Saatgut verteilt, was uns sehr freut. Wildpflanzen bieten wertvollen Lebensraum für Insekten und fördern damit die Artenvielfalt. Mit der Verteilung von regionalem Saatgut möchten wir den Artenschutz vor Ort unterstützen und Menschen ermutigen, selbst aktiv zu werden.“ Regionales Wildpflanzensaatgut ermögliche die Wiederherstellung und Pflege artenreicher Grünlandlebensräume, die für viele Insekten und andere Tiere wichtig sind. Viele Tiere, unter anderem bestimmte Wildbienen, sind auf die Pollen bestimmter regional vorkommender Pflanzenarten angewiesen. Die Verwendung von gebietseigenem Wildpflanzensaatgut sichert somit auch die Lebensgrundlage dieser Tiere und fördert die Biodiversität.
Münster isst veggie war mit einem großen Unterstand direkt gegenüber vom Cinema vertreten. Die beiden Mitglieder der Ratsfraktion der Linken, Katharina Geuking und Heiko Wischnewski gaben vegane Leckereien gegen Spende aus und versorgten die Besucher:innen mit Informationen über gesundes, nachhaltiges Essen unter Verzicht auf tierische Produkte.
Tag der offenen Tür im Umwelthaus

In der Zumsandestraße zog insbesondere der „Tag der offenen Tür im Umwelthaus“ die Menschen an. Die AG-Naturgarten des Naturschutzbundes Münster (Nabu) begleitete Interessierte durch die Oase hinter dem Umwelthaus. Das Frauen-Team vom „Aktionsbündnis pestizidfreies Münster“ verwöhnte Gäste mit frischen Bio-Waffeln und Fairtrade-Kaffee. Der Verkehrsclub Münsterland (VCD) ließ vor dem Umwelthaus am (Glücks-)Rad drehen, um anschließend das Wissen der Teilnehmenden bezüglich nachhaltiger Mobilität abzufragen und bei richtogen Antworten natürlich zu belohnen. Alles rund um die münsterschen Streuobstwiesen, erfuhren die Besucher:innen beim Nabu, der seinen heimischen Apfelsaft probieren ließ und Spiele und Bastelangebote für Klein und Groß im Seminarraum anbot. Zwei Mal am Tag piepte es, als die Nabu-Naturschutzstation ornitologische Rundgänge zu den Vögeln im Quartier anbot. Studierende de Fachhochschule Münster, die sich mit wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aspekten von Balkonkraftwerken auskannten, erläuterten am Beispiel eines Kraftwerks für den Hausgebrauch die Sinnhaftigkeit dieser Energiegewinnung.
Eine Welt in Mauritz-West

Seit Samstagnachmittag gibt es offiziell wieder ein Wandbild in der Staufenstraße. Das erste Bild war im Rahmen und im Laufe des „Viertel Fest“ im August 2017, als letztes Bild der vom entwicklungspolitische Verein Vamos betreuten Reihe „Weltbaustellen“ in Münster entstanden. Inzwischen war es entfernt worden, da das Wohnhaus renoviert werden musste. Am Samstag nun legte der Künstler Jorge Hidalgo letzte Hand an, so dass ab 15 Uhr der neue, zweigeschossige farbenfrohe Hausschmuck für zum Fairen Handel und Regenwaldschutz im Wohnquartier an den Eisenbahnlinien wirbt.
Den Flohmarkt „Faire Schatzkiste“ hatte der Weltladen im 4tel auf dem Gehweg vor seinem Ladenlokal aufgebaut. Die Menschen stöberten die Schatzkiste mit fair gehandelter Ware intensiv durch und wurden fast immer fündig. Ab 14 Uhr gab es dann noch Folk, Bluegrass & Pop – Hippie-Songs im Stil der „Pinewood Sessions“.

Die Mitglieder Mobile Hilfe Madagaskar informieren in über Lernen und Gesundheit auf der östlich vor Mosambik und Südafrika gelegenen Insel. Unter anderem der Kinderarzt Dr. Ludger Heuckmann stellte ihr Projekt für Gesundheit und Entwicklung der Kinder und Familien vor auf Madagaskar vor: „Unsere Unterstützung für Madagaskar fing mit einer gynäkologischen Station und Geburtshilfe an. Als dann klar war, jetzt sind die Kinder da und müssen auch gesundheitlich betreut werden, erweiterten wir unsere Arbeit in diese Richtung.“
Auch die Lokalpolitik und die Stadt waren am Start
Zentral zwischen Linnenbrinks Garten und der Warendorfer Straße hatten sich die im Quartier vertretenden politischen Parteien positioniert. Neben den Grünen (siehe oben) waren auch die SPD Mauritz-Erpho mit Kinderschminken, Kaffee und Kuchen und die CDU vertreten. Alle hatten tolle Angebote, die CDU zum Beispiel Popcorn, standen aber den Bürger:innen im Kommunalwahljahr natürlich auch Rede und Antwort. Während diese Parteipolitiker:innen an dieser Stelle willkommen waren, galt dies für die Viertel-fremde Bürgerinitiative „Stoppt Umbenennungen“ nicht. Das Teilnahmegesuch, so die klare Aussage aus dem Orga-Team des 4tel-Festes, war abgelehnt worden, weil das bald umbenannte „Marineviertel“ und damit das Tätigkeitsfeld und der Wohnsitz der Aktivisten zwar in Mauritz, aber am Kanal und nicht im Einzugbereich des Festes läge. Zudem fiel ein Vertreter der Gruppierung negativ auf, als er mitten in der Diskussion den Autor dieser Zeilen wort- und grußlos stehen ließ.

Etwas unklar blieb, insbesondere mit Blick auf die Marineviertelbewohner, warum an der Oststraße die Bürgerinitiative B 51 Handorf-Mauritz einen Infostand aufstellen durften, um über den von ihr abgelehnten Autobahn-mäßigen Ausbau der Bundesstraße zwischen Münster und Handorf zu informieren. Vielleicht wohnen einzelne Mitstreiter:innen im Quartier. Das es bei der Vorfeldorganisationen der Grünen, die direkt nebenan positioniert waren, an der engen personellen Verflechtung der BI mit der führenden Ratspartei in Münster lag, ist nur ein spontaner Gedanke der beim Betrachten der Szene aufkam.
„Ganz besonders gefreut hat mich, dass Münster Marketing uns Liegestühlchen vorbeigebracht hat. Es war das erste Mal, dass die Stadt sich in einer solchen Form am Nachbarschaftsfest beteiligte“, unterstrich Mitorganisatorin Christina Kleinefenn, dass gerade dies kleinen Gesten den Charakter der Veranstaltung prägen würden.
Auch die Kulturliste Münster war mit einem Infostand vertreten. Menschen mit Transferleistungsbezug oder Münster-Pass ermöglicht der Verein kostenlose Besuche bei Kultur- und Sportveranstaltungen in Münster.
Oliver Kottmann vom Verein Gegen Vergessen Für Demokratie im Münsterland und wohl auch ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Erinnerungsstätte Villa ten Hompel nahm Samstagmittag Interessierte mit auf eine Spurensuche. Die frühere Nachbarschaft von Opfern und Tätern im Quartier in der nationalsozialistischen Vergangenheit stand dabei im Fokus. Die Teilnehmer:innen der Führung hörten Geschichten über zumeist jüdische Opfer in Mauritz.
Essensangebote aus allen Winkeln der Erde
Auf dem 4tel-Fest blieb niemand hungrig. Gab es nicht kostenfrei etwas zu Verköstigen, waren die Nachbarn mit Gerichten aus allen Kontinenten da. Spanische Paella nach Valencianischem Rezept frisch zubereitet in einer Original Paellapfanne, gab es zum Beispiel in der Gereonstraße und in der Katharinenstraße war eine Reispfanne aufgestellt, in der Hier findet ihr neben allerlei Kleidung einen feinen Ort zum Stöbern. Dazu eine leckere Reisgemüsegericht mit Halumikäse auf hungrige Mäuler wartete. Dazu überall Eis, Waffeln und, zum Beispiel in der Burchardstraße selbstgebackenen Kuchen. Kühle Getränke fehlten natürlich angesichts der Temperaturen auch nicht.
Spät in der Nacht müde und heiser ins Bett gefallen

Am Sonntagvormittag trafen sich die zehn Organisator:innen des 4tel-Festes in Linnenbrinks Garten, um bei Livemusik unter anderem vom Duo M, Markus Dassmann und Michael Neumann, ein erstes Fazit des Vortages zu ziehen und den Startschuss für die 18. Auflage des 4tel-Festes in 2026 zu geben.
„Den meisten Zuspruch haben wir bekommen, weil das 4tel-Fest dezentral, nicht kommerziell und nur für die Nachbarschaft da ist“, erklärte Christina Kleinefenn: „ Es ist eben von und für die Nachbarn.“ Birgit Geller betonte, dass der ermöglichte Blick in Nachbars Garten auch extrem gut ankomme: „Es ist sehr schön, einfach Mal die Gelegenheit zu bekommen, in die Gärten hinter die Häuser zu schauen.“
„Unser 4tel-Fest ist familienfreundlich, weltoffen und vielfältig – da kommt es durchaus zum Gespräch mit den Nachbarn über Themen aus der Straße bis hin zur Weltlage. Einfach gut für das Miteinander im Wohnquartier“, freut sich Christina Kleinefenn ab sofort auf die 18. Auflage des 4tel-Festes im kommenden Jahr.
