Internationaler Tag der Familiengleichheit

„Lebensrealität der queeren Community sichtbar machen“

Josefine Paul, seit fast drei Jahren schon Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, begrüßte am Sonntag (4. Mai 2025) im Schlossgarten in Münster die Besucher:innen des landesweiten Regenbogenfamilientages. Der Internationale Tag der Familiengleichheit (International Family Equality Day) wird seit 2012 am ersten Sonntag im Mai gefeiert, um durch Aktionen und Informationen zur Stärkung der Akzeptanz von Regenbogenfamilien beizutragen. Seit einigen Jahren gibt es in Nordrhein-Westfalen jedes Jahr ein landesweites Familienfest für Regenbogenfamilien, das von der Fachstelle Regenbogenfamilien NRW organisiert wird. Am Sonntag fand es in Münster statt.

NRW-Ministerin Josefine Paul besuchte am Sonntag den Regenbogenfamilien-Tag im Schlossgarten in Münster. (Fotos: Werner Szybalski)

Der Regenbogenfamilien-Tag in Münster fand im Schatten der gescheiterten Reform des Abstammungsrechts statt. Durch das vorzeitige Ende der Ampel verschwand der seit Dezember 2024 vorliegende Diskussionsentwurf des Bundesministerium in der Versenkung. „Kein Wort davon im steht im Koalitionsvertrag“, monierte auch die Landesministerin Josefine Paul (Grüne) im Gespräch mit der Redaktion am Regenbogenfamilien-Tag. Später unterstützte auch Birgit Brockerhoff, die Mitorganisatorin des Festes und Leiterin der Fachstelle Regenbogenfamilien NRW beim Queeren Netzwerk des Landes: „Es wird Zeit, dass das Gesetz die Realität abbildet.“

Gleiche Rechte für queere Familien

Konkret geht es darum, dass das geltende Abstammungsrecht insbesondere den Interessen weiblicher Paare nicht gerecht wird. Sollte nämlich ein Mann die zweite Elternstelle kraft Ehe, Anerkennung oder gerichtlicher Feststellung besetzen, bleibt der sogenannten „Mit-Mutter“ ein solches einfaches Einrücken in die Elternposition verwehrt. Zudem müssen die Menschen in gleichgeschlechtlichen Paaren, sofern sie nicht Mutter sind, noch immer das gemeinsame Kind adoptieren. Dies gilt auch für die besondere Situation in Regenbogenfamilien, in denen die Elternschaft nicht an die Paarkonstellation gebunden sein soll, etwa wenn ein lesbisches Ehepaar nicht nur einen privaten Samenspender gesucht und gefunden hatte, sondern dieser auch eine rechtliche und soziale Vaterrolle einnehmen will und soll.

Eine Forderung der Regenbogenfamilie, die auch in Münster propagiert wurde, lautet deshalb: Gleiche Rechte für queere Familien sind dringend notwendig! Die neue Bundesregierung muss umsetzen, was die Ampel-Koalition ausgearbeitet, aber nicht verabschiedet hat! So war der Regenbogenfamilientag in der westfälischen Domstadt auch Teil der bundesweiten Aktion „Wir lassen uns nicht abspeisen – neues Abstammungsrecht jetzt!“

„Queer durch NRW“ – aktuelle Lebenslagenstudie veröffentlicht

„Wir haben ja nun eine Lebenslagenstudie in NRW. Endlich können wir die Lebensrealität der queeren Community sichtbar machen“, erklärte Josefine Paul mit Verweis auf die am 25. April diesen Jahres von der Landesregierung veröffentlichte Studie „Queer durch NRW – Lebenslagen und Erfahrungen von LSBTIQ*“ . Die Studie liefere erstmals eine umfassende Datengrundlage zu den Lebensrealitäten von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter*, queeren und non-binären Menschen (LSBTIQ*) in Nordrhein-Westfalen. Wie viele Regenbogenfamilien es in NRW oder Deutschland gibt, konnte die Ministerin nicht beantworten: „Dazu wurden keine Daten erhoben.“

NRW-Ministerin Josefine Paul begrüßte die Besucher:innen und Aktivist:innen, nahm aktiv am Familiendialog „Was brauchen Regenbogenfamilien?“ teil und sprach auch mit der Redaktion.

Studie mit drei zentralen Themen

Für die Studie wurden Online-Umfragen von LSBTIQ*, Angehörigen, Fachkräften in NRW, sowie qualitative Fokusgruppen-Befragungen und Interviews mit Expert:innen geführt. Insgesamt hätten mehr als 5000 LSBTIQ*, 775 Angehörige sowie über 5000 Fachkräfte aus verschiedenen Professionen teilgenommen. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen drei zentrale Themenbereiche:

  • Integration, Migration und Flucht – Welche Erfahrungen machen zugewanderte oder geflüchtete LSBTIQ*-Personen in Nordrhein-Westfalen?
  • Diskriminierung, Gewalterfahrungen und Sicherheit – Wie häufig erleben LSBTIQ*-Personen Diskriminierung oder Gewalt und welche Auswirkungen hat das auf ihr Sicherheitsgefühl?
  • Gesundheit, Pflege und Alter – Welche gesundheitlichen Herausforderungen bestehen, und wie sind LSBTIQ*-Personen im Pflege- und Gesundheitssystem eingebunden?

Rund Dreiviertel der befragten LSBTIQ*, so die Lebenslagenstudie, sei mit ihrer Lebenssituation zufrieden. Sie berichteten unter anderem von positiven Erfahrungen, insbesondere in Bereichen wie Freizeit, Kultur, Ehrenamt und sozialer Arbeit. Eine Mehrheit der befragten Personen gab aber auch an, in den vergangenen fünf Jahren aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Diskriminierung erfahren zu haben. Auch teilte eine überwiegende Zahl der Befragten mit, in den vergangenen fünf Jahren entweder selbst Übergriffe erfahren zu haben oder Personen im nahen persönlichen Umfeld zu kennen, die Opfer eines Übergriffs wurden. Trans*, inter* und nicht-binäre Personen berichteten besonders häufig von Ungleichbehandlung sowie Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen. Mit Blick auf die Zukunft befürchteten mehr als 80 Prozent der LSBTIQ*-Befragten, dass sich ihre Situation verschlechtern wird. Sie sorgten sich vor einer zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung.

Josefine Paul stimmte es nachdenklich, dass LSBTIQ* mehrheitlich pessimistisch in die Zukunft schauen: „Es ist eine gute Nachricht, dass viele LSBTIQ* zufrieden sind mit ihrer Lebenssituation in NRW sind. Trotzdem ist die Lebensrealität von LSBTIQ* nach wie vor von Diskriminierung, Gewalt und Ungleichbehandlung geprägt.“

Regenbogenfamilientag soll Akzeptanz fördern

Organisatorin Birgit Brockerhoff war mit dem Zuspruch zum Regenbogenfamilientag hinter dem Schloss zufrieden. Dies galt auch für die Menschen, die hinter Infoständen bereitwillig Aufklärung betrieben, wie zum Beispiel Janine Klein vom Jugendzentrum für lesbische, schwule, bi-/pansexuelle, trans*, inter* und andere queere Jugendliche und junge Erwachsen in Münster – dem „Track“ in der Dechaneistraße 14 in Mauritz: „Es sind viel mehr Menschen hier, als ich erwartet hätte.“

Auch Marie Hestermann von der Fachstelle für Sexualität und Gesundheit der Aidshilfe Münster war über den großen Zuspruch und den vielen auf dem Regenbogenfamilientag in Münster geführten Gesprächen und Diskussionen zufrieden, weil dies alles die Akzeptanz fördern würde. Sie hofft auf eine „Normalisierung der Vielfalt“.

Dieser Beitrag wurde unter Soziales, Veranstaltung abgelegt und mit , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert