DGB gedenkt dem Überfall 1933 auf das Gewerkschaftshaus in Münster
Carsten Peters vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Münster sprach am späten Freitagnachmittag (2. Mai 2025) vor dem ehemaligen Gewerkschaftshaus in der Dammstraße 23a im Südviertel direkt an den Bahnlinien. Am 2. Mai 1933, ein Tag nachdem die Nazis den „Nationalen Tag der Arbeit“ auch mit Unterstützung der Gewerkschaften gefeiert hatte, überfielen die Nationalsozialisten in ganz Deutschland Einrichtungen der freien Gewerkschaften, um diese zu zerschlagen. So auch das Haus in der Dammstraße in Münster.

„Wir stehen am Ort des historischen Gewerkschaftshauses, dort wo die Erstürmung des Hauses vor 92 Jahren geschah“, eröffnete der haupt- und ehrenamtliche Gewerkschaftler Peters seine Rede. Bevor er zum Geschehen in der Tatnacht kam, beschrieb er den politisch-kulturellen Hintergrund in der Domstadt zur Zeit der Weimarer Republik. „In der 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts gab es in Münster 20 im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) zusammengeschlossene Gewerkschaften.“
Erster Überfall schon Anfang März
Carsten Peters erklärte, dass schon Anfang März 1933, die Machtergreifung der Nazis war gerade ein paar Wochen alt, Schlägertrupps der Parteiorganisation SA das Gewerkschaftshaus in Münster stürmten und die Fahnen der Gewerkschaften und auch das Reichsbanner auf der Dammstraße verbrannten. Am 31. März 1933 wurde das Gewerkschaftshaus – quasi „offiziell – von 60 SA-Schergen und zwei Kriminalpolizisten durchsucht. Es wurde gestohlen, zerstört und Zeitschriften und Bücher auf der Wiese vor dem Gewerkschaftshaus verbrannt. Auf dem Dach des Gebäudes wurde die Hakenkreuzfahne gehisst.
„Auf den überlieferten Bildern dieser Zerstörungsaktionen kann man erkennen, dass zur Bücherverbrennung auch Hitlerjungen eingesetzt wurden, die sich voller Stolz dabei fotografieren ließen“, zeigte sich Peters noch heute erschüttert, auch weil in Münster die erste Verbrennung von Büchern durch die Nazis schon deutlich vor dem 10. Mai 1933, dem Tag der Bücherverbrennung auf dem Domplatz, stattfanden.

Gewerkschaftsmitarbeiter wurden inhaftiert und gefoltert
Beim faschistischen Aktionstag zur Vernichtung der organisierten Arbeitsbewegung in Deutschland, dem 2. Mai 1933, wurde auch die Dammstraße 23a erneut besetzt. Die Gewerkschaftssekretäre Fritz Niemeyer, Michael Wenig, Friedel Rabe, Fritz Schmidt und weitere Gewerkschaftler wurden in „Schutzhaft“ genommen. Sie wurden, wie Carsten Peters zu berichten wusste, erst wieder freigelassen, nachdem die Gleichschaltung der freien Gewerkschaften durch die nationalsozialistische Regierung durchgesetzt war.
In einem Exkurs verdeutlichte der Gewerkschaftsfunktionär, dass Münster in der Zeit vom Kaiserreich bis in die Gründungszeit der Bundesrepublik nicht immer so friedlich katholisch war, wie es von den Oberen und ihren Medien gern dargestellt wurde. Peters erinnerte an den 1887 gegründeten, streng antisemitischen Münsteraner Ableger des „Deutschen Reformverein“.
Dabei zitierte er auch aus dem Werk von Joachim Kuropka „Vom Antisemitismus zum Holocaust – zu Vorgeschichte und Folgen des 9. November 1938 unter Berücksichtigung der Stadt Münster“. Kuropka schrieb: „In den ersten Jahren nach dem Weltkrieg entstand eine Vielzahl völkisch-antisemitischer Vereine, von denen einer die NSDAP war. In diesen Gruppierungen spielte Rohlings »Talmudjude«, der noch 1926 in einer Neuauflage erschien, ebenso eine Rolle, wie der »Judenspiegel« Jakob Eckers, der für ein – übrigens unzutreffendes – Gutachten in dieser Frage den Professorentitel an der Akademie in Münster erhalten hatte. Der Höhepunkt der völkischen Bewegung lag 1924, als der Völkisch-Soziale Block, ein Zusammenschluss verschiedener völkischer Parteien, bei der Reichstagswahl am 4. Mai in Münster 2627 Stimmen erhielt und mit 5,5 Prozent relativ nahe beim Reichsdurchschnitt von 6,5 Prozent lag. Doch dürften die Wähler nicht durchweg »völkisch« motiviert gewesen sein, denn bei der gleichzeitig stattfindenden Wahl zur Stadtverordnetenversammlung kamen die Völkischen nur auf 1279 Stimmen und damit 2,8 Prozent. Nach der Neugründung von 1925 fand die NSDAP in Münster relativ wenig Zustimmung, und selbst, als sie nach der Reichstagswahl von 1930 unerwartet die zweitstärkste Fraktion stellte, weil sie 18,3 Prozent der Stimmen erhalten hatte, war es in Münster mit 9,6 Prozent nur gut die Hälfte des Reichsdurchschnitts.“

„Münster und München, beides ist gleich“
Der schon erwähnte ADGB-Sekretär Fritz Niemeyer hatte schon im Juni 1923 an den preußischen Innenminister Carl Severing (SPD) mahnend geschrieben. Der aus Ostwestfalen stammende Arbeitersohn und rechte Sozialdemokrat hatte kurz zuvor eine unrühmliche Rolle bei der blutigen Niederschlagung des Ruhrkampfes gespielt. Als rechte Attentäter in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1923 das Druckgebäude der sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Tageszeitung „Volkswille“ in der Burgstraße 25 gesprengt hatten, schreib Niemeyer an Severing: „Münster sei eine Hochburg der Völkischen und Nationalsozialisten“.
Erinnerung an lokalen Widerstand
Am Tag an dem der Deutsche Verfassungsschutz die AfD bundesweit für „gesichert rechtsextrem“ einstufte, erinnerte Carsten Peters, Sprecher des sehr aktiven Bündnisses „Keinen Meter den Nazis“ in Münster, die Anwesenden daran, wie wichtig es sei, dass sie gemeinsam hier versammelt wären. Es sei gut, dass mit „dieser Gedenkveranstaltung an eine Entwicklung“ erinnert würde, „an deren Ende viele Menschen ihr Leben gelassen“ hätte. Der 1. Mai 1933 wäre vom Tag der Solidarität, des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit zu einem Tag geworden, der auf den Völkermord vorbereitete. „Banner der Arbeitnehmerbewegung wurden durch Heerschauen und Waffendemonstrationen ersetzt“, so Peters.

Carsten Peters erklärte, dass „das Ende der Weimarer Republik nicht an der Schwäche der Gewerkschaften“ gelegen hätte: „Die Gewerkschaftsfeindlichkeit der Nazis, auch daran muss erinnert werden, gehörte zu den Punkten, die den besonderen Zuspruch der ökonomischen Eliten der Weimarer Republik fanden.“
Eine vergleichbare Entwicklung heute müsse verhindert werden. „Uns bleibt neben dem Vermächtnis zur Einheitsgewerkschaft der Kampf für Freiheit und Demokratie. Nicht nur gegen Nazis, AfD und andere – für den Schutz der Demokratie und der Freiheit eintreten“, endete die Rede von Carsten Peters.

Verbotsverfahren einleiten
Auf Bitten der Redaktion erklärte Carsten Peters nach Abschluss der Gedenkfeier zur Festlegung des Verfassungsschutzes, dass die AfD in ganz Deutschland gesichert rechtsextremistisch sei. „Menschenfeindlichkeit gehört zum Kerngeschäft der AfD. Nun ist es dringend erforderlich, dass sich im Bundestag eine Mehrheit der Abgeordneten findet, die den Verbotsantrag gegen die AfD auf den Weg bringen. Meines Erachtens sind genügend Belege für eine erfolgreiches Verfahren vorhanden.“