Mehr lokale Demokratie

Die öffentlichen Angelegenheiten, in der Regel als Politik bezeichnet, finden in der Öffentlichkeit meist den größten Widerhall, wenn es um existentielle und große Fragen gibt. Tatsächlich sind für die Menschen persönlich die kleinen politischen Entscheidungen, die Beschlüsse, die für sie in ihrem direkten Lebensumfeld getroffen werden, erheblich wichtiger. Zumeinst betreffen diese kommunalen Entscheidungen das Leben der Menschen unmittelbar und direkt.

Münsterliste fordert zusätzliche Bezirksvertretungen

Werner Szybalski

Die Freiheit und damit die Demokratie ist weltweit in großer Gefahr. Die zunehmenden Tendenzen zur Nationalisierung und Zentralisierung sind auch bei uns zu spüren. Die Münsterliste – bunt und international e.V. möchte dieser Gefahr in Münster entgegenwirken und fordert deshalb mehr lokale Demokratie. „Wir können uns glücklich schätzen, in Freiheit in einem föderalen, demokratischen Land zu leben. Um die Demokratie zu stärken, muss die kommunale Ebene mehr Selbstbestimmungsrechte und zusätzliche Selbstverwaltungsorgane bekommen“, verdeutlicht Werner Szybalski, Co-Sprecher der Münsterliste, den Hintergrund für die Forderung nach mehr Bezirksvertretungen in Münster.

Einteilung erfolgte vor fast 50 Jahren

Die räumlichen Grenzen der Bezirksvertretungen (BV) in Münster orientierten sich an den alten Stadtgrenzen von vor 1975. Damals sollte den eingemeindeten Dörfern und der ehemaligen Stadt Hiltrup durch die Bezirksbürgermeister*innen wohl ein gewisses Maß an alter Selbständigkeit suggeriert werden. Inzwischen hat sich aber die Einwohnerzahl stark vergrößert und die Stadt sich verändert. Deshalb schlägt die Münsterliste vor, die Zahl der Bezirksvertretungen von sechs auf zehn zu erhöhen. „Dabei sollten für die Einteilung der Bezirke die tatsächlichen Beziehungen der Menschen innerhalb der Stadt sowie die Anzahl der zu vertretenden Einwohner*innen durch die Mandatsträger*innen berücksichtigt werden“, erklärte Szybalski.

Heutige Bezirke sind sehr ungleich

Sprecherin der Münsterliste und Direktkandidatin für den Bundestag 2021 Sarah Geselbracht
Sarah Geselbracht

Im heutigen Stadtbezirk Münster-Mitte vertritt ein BV-Mitglied fast sechs Mal so viele Wähler*innen wie im bestehenden Stadtbezirk Ost. Für die BV Mitte konnten bei der Kommunalwahl vor zwei Jahren 107.112 Wähler*innen die 19 Politiker*innen bestimmen. In Gelmer, Handorf und Münster-Ost hingegen gab es bei der BV-Wahl für 19 zu vergebende Mandate nur 18.134 stimmberechtigte Einwohner*innen. Der Vorschlag der Münsterliste reduziert dieses demokratische Defizit deutlich. Bei Umsetzung des Vorschlags (siehe Grafik unten) kämen in Mitte-West 805 Wähler*innen auf ein Mandat und in Mitte 1.901. Dazwischen lägen die Bezirke Mitte-Süd (1.783 Wähler*innen), Ost (1.407), Mitte-Ost (1.364), Hiltrup (1.309), Nord (1.171), Südost (1.132), Gievenbeck (1094) und West (1045). „Schon allein dieser Schritt würde Demokratiedefizite in Münster verringern“, meint Sarah Geselbracht, Co-Sprecherin der Münsterliste.

Stadtbezirke heute

Stadtpolitik hat 141 verschiedene Gremien

In der Kommunalpolitik wird sehr direkt über das eigene Leben in der Stadt und dem Wohnbezirk entschieden. Dies geschieht im Rat der Stadt und seinen Gremien (Ausschüsse, Beiräte, Aufsichtsräte, Kommissionen, Gesellschafterversammlungen, Kuratorien) und – direkt vor Ort – in den Bezirksvertretungen. Insgesamt listet das Ratsinformationssystem der Stadt Münster (Stand: Mai 2022) 141 verschiedene Gremien auf. Sechs davon sind Bezirksvertretungen. Diese wurden vor knapp einem halben Jahrhundert, als die landesweite Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen stattfand und die Stadt Münster zum bislang letzten Mal flächenmäßig stark wuchs, eingerichtet.

Rat kann vor der nächsten Wahl entscheiden

Die Anzahl und auch die Einteilung der Bezirksvertretungen regelt die Hauptsatzung der Stadt Münster. In ihr sind auch die Befugnisse des den Einwohner*innen nahesten kommunalen Entscheidungsgremiums festgelegt. „Wir könnten schon 2025 mehr lokale Demokratie verwirklichen. Der Stadtrat muss nur die Hauptsatzung ändern“, hofft Sarah Geselbracht auf eine offene und breite Diskussion über den Vorschlag.

Die Münsterliste schlägt vor, die Zahl der Bezirksvertretungen in der Stadt von sechs auf zehn zu erhöhen.

Große Unterschiede in der Größe

Das gilt grundsätzlich auch für die Anzahl der Bezirksvertretungen. Beschließt der jetzige Rat die Erweiterung auf zehn, würde es 2025 mehr Demokratie an der Basis geben. Derzeit sind die sechs Bezirke sehr ungleich. In Münster Mitte vertreten 19 Politiker*innen 107.112 Wähler- *innen. In Münster-Ost sind die gleiche Anzahl an Bezirksvertreter*innen für nur 18.134 zuständig. In Mitte muss sich jede*r Bezirksvertreter*in theoretisch um fast sechs Mal so viele Einwohner*innen kümmern als die gewählten Mandatsträger*innen aus Gelmer und Handorf. Dieses Ungleichgewicht ist für das demokratische Miteinander in Münster nicht gut.




Verteilung der Wahlberechtigten auf die jeweiligen Bezirksvertretungen: links Kommunalwahl 2020 mit sechs Bezirksvertretungen (Grafik links) – rechts Vorschlag der Münsterliste mit zehn Bezirksvertretungen (siehe Grafik oben) in Münster.

Mehr Selbstbestimmung nicht nur für Hiltrup und Gievenbeck

Durch den Vorschlag der Münsterliste würde zum Beispiel der wachsende Stadtteil Gievenbeck mehr Selbstbestimmungsrechte bekommen und die Menschen in den Dörfern Albachten, Roxel und Nienberge sich nicht mehr mit den Sorgen, Problemen aber auch Perspektiven für die stadtnahen Orte Mecklenbeck und Gievenbeck beschäftigen müssen. „Auch rund um den Gasometer oder das Entwicklungsgebiet am Nieberding rückten enger an die Stadt und damit an das natürliche erweiterte Wohnumfeld der Menschen“, unterstrich Sarah Geselbracht. „Im Norden würde entlang der Verkehrsachse vom Ring bis Sprakel ein natürlicher politischer Bezirk entstehen. Dies entspräche den gewachsenen Beziehungen der Einwohner*innen in Uppenberg und Kinderhaus“, so Szybalski.

Stärkung der Bezirksvertretungen

In Münster genießen die Bezirksvertretungen im Vergleich zu anderen Großstädten in NRW relativ wenige Selbstverwaltungsrechte. Die Münsterliste schlug in einem offenen Brief schon direkt nach der Kommunalwahl 2020 vor, den Bezirksvertretungen mehr Rechte und Selbstbestimmung zu geben. „Dies würde auch den Rat der Stadt erheblich entlasten“, erklärte Geselbracht.

„Wir möchten mit den Menschen unseren Vorschlag diskutieren, um dann in einem Antrag gemäß § 24 Gemeindeordnung NRW die politische Neuordnung und Stärkung der lokalen Demokratie beim Rat der Stadt beantragen“, beschrieb Werner Szybalski das weitere Vorgehen. Nach Auffassung der Münsterliste sollten unter anderem die Bildung für Kinder bis mindestens zum Wechsel auf die weiterführenden Schulen, Sport- und Freizeitflächen, Verkehrsfragen und der Umwelt- und Naturschutz zum engeren Kern der Aufgaben der Bezirksvertretungen gehören. Dabei wird die BV aufgewertet und ist so nicht mehr nur ein Organ, das meist nur angehört wird, sondern ein beschließendes politisches Gremium. Diese Veränderungen kann der Rat der Stadt selbständig regeln.

Zwei zusätzliche Mandate für Menschen mit Migrationsvorgeschichte

Was leider nicht in Münster, sondern im Landtag in Düsseldorf entschieden werden müsste, wäre die Forderung der Erhöhung der Anzahl der Mandatsträger von 19 auf 21. Dies wünschen wir uns, um für jede Bezirksvertretung zwei Mandate für Menschen mit Migrationsvorgeschichte zu bekommen.

Aktiv und passiv wahlberechtigt sollten die Einwohner*innen des Stadtbezirks sein, die bislang an der Wahl zum Integrationsrat der Stadt teilnehmen dürfen und bei der Wahl zur Bezirksvertretung nicht stimmberechtigt sind. Die beiden gewählten Vertreter*innen in der Bezirksvertretung sollten natürlich – auch ohne deutsche Staatsangehörigkeit – alle Rechte und Pflichten einer/s Mandatsträgers/in besitzen.

Schreib uns bitte Deine Meinung: mail@münster-ist-bunt.de.