Hannemann liest Kästner
Im Kulturbahnhof in Hiltrup wird am Montagabend (16. Juni 2025) etwas zusammengemischt, was enormes kulturelles Potential in sich birgt. Nicht „Emil und die Detektive“, ein heute noch gelesener Kinderbuchklassiker, den Autor Erich Kästner 1929 veröffentlichte, steht im Mittelpunkt der Rezitationen von Martin Hannemann, sondern der „andere“ Kästner soll an diesem Abend in Hiltrup gezeigt werden – der politische Erich Kästner.

Kästner war kritisch, war humorvoll, aber konnte auch sarkastisch sein und durchaus auch Mal böse werden. Er versprühte aber auch Hoffnung, als er empfahl, anstatt sich die Decke über den Kopf zu ziehen, den Besuch abzuwehren oder in Mutlosigkeit zu versinken, einfach mal gemeinsam ins Kino zu gehen, zur Demo oder ein gutes Buch zu lesen . . .
„Es gibt nichts Gutes außer:
Man tut es.“
Erich Kästner (1950)
Dies dürfte auch Martin Hannemann, Lothar Wantia, Niclas Floer und Joffrey Bondzio bewegt haben, diesen außergewöhnlichen Abend zu konzipieren. „Die Idee von Lyrik und Jazz schwirrt schon lange in unseren Köpfen herum – dann kam Corona, und Rentner haben eh nie Zeit“, schreibt das Quartett in der Ankündigung des Mixed aus Kästner-Lyrik und der afro-amerikanischer Jazz-Musik, die ungefähr in der Zeit entstand, als 1899 Kästner in der sächsischen Hauptstadt Dresden geboren wurde.
Lyrik und Jazz
Der Schlagzeuger Lothar Wantia nahm sich jüngst erneut „der Sache“ an, die von eine neuen Formation etablierter Künstler auf die Bühne. gebracht wird. „Nun ja, wir unterscheiden uns schon etwas von einer »normalen« Band. Wir haben einen Vortragenden und ein Jazztrio, also: Lyrik und Jazz. Bei der Lyrik beschränken wir uns auf einen einzigen Autor: Erich Kästner“, verdeutlichen Wantia und seine Mitstreiter: „Seine Texte hinterlassen uns gelegentlich amüsiert lächelnd, zeitweise verwundert den Kopf schüttelnd, manchmal auch recht erschrocken, auf jeden Fall oft erstaunt wegen der heute noch treffenden Thematik und ungebrochenen – mit- unter unangenehmen – Aktualität auch ein halbes Jahrhundert nach Erich Kästners Tod.“
Erich Kästner wurde sehr früh von den Nationalsozialisten geächtetet. Seine Bücher wurden verbrannt, weil er hat seinen Zeitgenossen und den damaligen Volksvertretern genau auf die Finger geschaut und in Texten von zeitloser Gültigkeit dieses Bild der Zeit in Szene gesetzt hatte. Bei allem Amüsement ist in seinen Texten auch immer mit „Ent-Setzen“ zu rechnen.

Spannendes Konzept
Die Musiker des Jazz-Klaviertrios, Niclas Floer (Piano), Joffrey Bondzio (Bass) und Lothar Wantia (Schlagzeug) begleiten die Lesung von Martin Hannemann. Die Musiker arbeiten improvisatorisch über Jazzstandards und Eigenkompositionen und versuchen, so die Aussage und die Atmosphäre der Kästner-Texte in Melodien, Klangflächen und Collagen widerzuspiegeln, zu untermalen sowie aus- und umzudeuten. Ein sicherlich spannendes Konzept, welches zum Nachdenken anregen dürfte; allerdings auch zum Mitswingen von Körper und Geist animieren soll. Besonders das Zwerchfell dürfte dabei in Schwingung geraten.
Die Künstler
Martin Hannemann – Gründungsmitglied von Fiedel Michel, danach in vielen Formationen im Folk, Folk-Rock und Jazz-Bereich.
Lothar Wantia – Nach ersten Erfahrungen in der Theater- und der modernen Kirchenmusik in den 70er-Jahren kamen Galaauftritte, Studioproduktionen, Künstler- und Chorbegleitung hinzu. Seit den 80er-Jahren ausschließlich im Jazzbereich unterwegs, unter anderem mit Latin Affair, Ata Brüning-Quartett, Heinz Oelmann-Trio, Ernst Dittke-Quartett und Herbie Klinger-Quintett.
Niclas Floer – Studium an der Musikhochschule Dortmund (klassisches Klavier, Jazzklavier und Tonsatz). Zahlreiche Engagements brachten ihn auch nach Holland, Belgien, Schweden, Russland, Italien, Polen, in die Schweiz, nach Österreich und in die USA, nach Argentinien, Brasilien und Paraguay. Im selben Jahr war er als Pianist beim Montreaux-Jazzfestival und beim Jazzfestival Burghausen aktiv. Er arbeitet auch als Komponist, Klavierlehrer und Chorleiter.
Joffrey Bondzio – begann in jungen Jahren mit Flöte, Gambe, Cello und Gitarre, die im späteren Musikstudium bei Wolfgang Seemann (Klassik) und Axel Zinowski (Jazz) Hauptinstrument war. Seit Anfang der achtziger Jahre aktiv als Gitarrist und Bassist in Formationen und Projekten unterschiedlicher Stilrichtungen, unter anderem Soul‘d Up (Soul), Cebolinha (Brasil), Ulli Stemmeler Band und Heiner Kleinjohann Trio (Jazz). Mittlerweile widmet er sich ausschließlich dem Kontrabass, wo seine sichere und tragfähige Begleitung wie seine lyrische Soloarbeit geschätzt werden.
Alle Veranstaltungsinformationen vom Kulturbahnhof in Hiltrup gibt es auch auf deren Webseite.
„Hannemann liest Kästner“ beginnt am Montag, dem 16. Juni 2025 um 19.30 Uhr im Kulturbahnhof Hiltrup. Einlass ist um 19 Uhr. Eintrittskarten im Vorverkauf in der Stadtteilbücherei St. Clemens oder beim Infopunkt Hiltrup sind für 18 Euro zu haben. An der Abendkasse beträgt der Preis 20 Euro beziehungsweise ermäßigt 16 Euro.
