Kommune selbst verwaltet

Der moderne Kommunalismus fußt auf den Ausarbeitungen des amerikanischen Denkers Murray Bookchin (1921 – 2006). Bookchin schlägt als Basis kommunalistscher Dörfer, Stadtteile und Städte direktdemokratische Versammlungen, in denen die Menschen selbstbestimmt die öffentlichen Angelegenheiten unter- und miteinander regeln.

Die von den Einwohner*innen selbst verwalteten Kommunen wiederum vernetzen sich konföderalistisch – sie wiederholen damit auf regionaler Ebene das kommunalistische Prinzip „Kommune der Kommunen”. Moderner Kommunalismus zeichnet sich nach Bookchin insbesondere durch Vollversammlungen der Einwohner*innen aus. In diesen Versammlungen kann nach der Diskussion direkt durch die anwesenden Menschen entschieden werden.

Anders als im antiken Athen dürfen an Einwohner*innenversammlungen in modernen kommunalistischen Gemeinden alle in dem Abstimmungsbereich dauerhaft lebenden Menschen teilnehmen.
Im konkreten Kommunalismus, wie ihn die Münsterliste vorschlägt, geht die Selbstbestimmung und -verwaltung der Menschen noch über die Entscheidungsversammlungen hinaus, weil auch die Verwaltung dauerhaft von den Einwohner*innen geführt wird. Dies übernehmen örtliche Vereinigungen, die natürlich für alle Einwohner*innen offen sein und zudem völlig transparent arbeiten müssen.

Konkreter Kommunalismus

Die Politik in der Kommune wird heute durch die Verwaltung und ihre vorbereitenden Entscheidungen (Ratsvorlagen) dominiert. Um den Willen der Einwohner*innen auch in die Vorbereitung von Entscheidungsvorlagen für die kommunalen Gremien einzubinden, was Grundlage demokratischer Meinungsbildung und damit der Entscheidungsfindung sein muss, muss auch die Verwaltung direkt durch die Menschen kontrolliert werden. Die Einwohner*innen müssen unmittelbaren Einfluss auf die Tätigkeit (Ausführung der Entscheidungen) und insbesondere auf die Erstellung der Entscheidungsvorlagen der Kommune besitzen.

Innerstädtische Dezentralität

Das Konzept „Kommune selbst verwaltet“ basiert auf – auch innerstädtische – Dezentralität der kommunalen Verwaltung. In jeder demokratischen Basiseinheit (Dorf, Stadtteil, Gemeinde oder Stadt) sollte es ein aus der Einwohnerschaft ausgelostes Entscheidungsgremium (den Rat) geben. Diese ausgelosten Vertreter*innen amtieren im jeweiligen Rat vier Jahre. Dabei gehören sie im ersten Amtsjahr dem Rat als noch nicht stimm-, aber schon rede- und antragsberechtigte Mitglieder an. Im zweiten Jahr werden sie zudem stimmberechtigt und im dritten Jahr dürfen sie auch Leitungsaufgaben in dem Gremium wahrnehmen. Im vierten Jahr sollte ohne Ämter aber mit viel Mitsprachemöglichkeit die Mandatszeit ausklingen.

Durch diese Form mit ausgelosten, zeitlich begrenzten Mandaten im kommunalen Entscheidungsgremium ist gewährleistet, dass die Zeit als örtlicher Entscheider*in klar begrenzt ist. In jedem Jahr, natürlich bis auf den ersten gelosten Rat, in den Mitglieder mit ein-, zwei, drei- und vierjährige Amtszeit gelost werden, bekommt der Rat ein Viertel neuer Mitglieder. Erbhöfe im Entscheidungsgremium sind damit ausgeschlossen. Neue Ideen durch die neuen Mitglieder praktisch garantiert.

Vereine kontrollieren die Verwaltung

Trotzdem können sich Einwohner*innen auch dauerhaft in der Politik engagieren. Dies allerdings nicht als Entscheider*innen im gelosten Rat, sondern durch Mitarbeit in den örtlichen Institutionen, die sich speziell um die allgemeine lokale Entwicklung oder um spezielle örtliche und gesellschaftliche Teilbereiche (zum Beispiel Soziales, Daseinsvorsorge, Ökologie, Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft, Freizeit, Kultur oder Sport) in lokalen Vereinigungen engagieren.

Öffentliche Sportanlagen sollten von den Vereinen selbst verwaltet werden. (Foto: Werner Szybalski)

Da die Vorlagen für den Rat und die sonstigen kommunalen Gremien grundsätzlich von der örtlichen Verwaltung vorbereitet werden, muss diese örtliche Verwaltung von einer für alle Einwohner*innen offenen, transparenten Vereinigung geführt werden. Dessen Vorstand wird entweder in einer Einwohner*innenversammlung direkt gewählt oder – in größeren Stadtteilen oder Orten – per Wahlentscheid bestimmt.
Für spezielle Aufgabenbereiche richtet die Vereinigung, in denen natürlich alle Einwohner*innen mitarbeiten können, Arbeitsgruppen ein. Diese werden in jedem Stadtteil oder Ort gemäß der örtlichen Gegebenheiten nach Bedarf sowie aufgrund der Interessen der Einwohner*innen festgelegt.

Die Vereinigung leitet die örtliche Verwaltung und bereitet gemeinsam mit den hauptamtlichen Mitarbeiter*innen der Verwaltung – dies grundsätzlich im öffentlichen Diskurs – die Vorlagen für den Rat vor. Dieser trifft dann mit Mehrheit die Entscheidungen. Alles geschieht im Rahmen einer eigenen örtlichen Satzung, die nach öffentlicher Diskussion durch eine Einwohner*innenversammlung direkt oder – in größeren Stadtteilen und Orten – in einer Abstimmung aller Einwohner*innen mit Mehrheit festgelegt wird.

Selbst verwaltete Häuser

In jedem Stadtteil sollte es ein von den Einwohner*innen selbst verwaltetes Gemeinschaftshaus geben. (Foto: Werner Szybalski)

Zur Durchführung dieser basisdemokratischen Politik muss es in jedem Stadtteil durch die Einwohner*innen selbst verwaltete Häuser geben, wo die örtliche Kommunalverwaltung ihren Sitz oder zumindest Ansprechpartner*innen hat und wo die Menschen in ihren jeweiligen Vereinigungen (und gegebenenfalls auch privat oder zu kulturellen Zwecken) zusammenkommen können. Auch die Trägerschaft und die Verwaltung dieser Quartiers- oder Stadtteilhäuser liegt in den Händen einer freiwilligen, offenen und transparenten Vereinigung der stadtteilangehörenden Einwohner*innen.

Oberhalb der jeweiligen Basis (Dorf, Stadtteil, Gemeinde oder Stadt) wird als zweite Ebene eine Stadtregion geschaffen. Auch der Rat der Stadtregion wird ausgelost, wobei in allen Losverfahren ein Teil der Lose auch nach örtlich festzulegenden Kriterien (zum Beispiel Alter, Geschlecht, Wohnsitz) vergeben werden kann. Wie auf der Basisebene amtiert jedes Mitglied im Rat maximal vier Jahre.

Auf der Ebene der Stadt(-region) sollte– auf der Basisebene könnte – es Fachausschüsse geben. Diese Fachausschüsse und auch die Spitze der Fachverwaltung der Stadt oder der Stadtregion leiten of- fene und transparente Verbände, die aus den örtlichen Fachvereinen bestehen. Die Verwaltungsleitungen werden gewählt und das Entscheidungsgremium (Fachausschuss) aus einem Interessent*innenkreis ausgelost. Beides zum Beispiel in der jeweilgen Verbandsversammlung. Auf der dritten (Region / Land) und vierten (Union) Ebene wird ebenso verfahren. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass alle beteiligten Vereine und Verbände nicht nur für alle Einwohner*innen des jeweiligen Einzugsbereiches offen sind, sondern auch extrem transparent agieren müssen. Dies ist zwingend notwendig, um alle Einwohner*innen jederzeit auf den aktuellen Sachstand der Diskussion bringen zu können.

Dabei gilt grundsätzlich, dass Entscheidungen eines Rates, insofern sie nicht ausschließlich für den geografischen Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Rates von Bedeutung sind, von der nächsthöheren Ebene nur mit einer Mehrheit von 2/3 der abgegebenen gültigen Ja- und Nein- Stimmen aufgehoben werden können. In diesem Fall, wenn also überstimmt wird, ist das Votum des „höheren“ Rates für das gesamte Einzugsgebiet des Entscheidungsgremiums bindend.

Pakt des Sport zeigt die Richtung an

In Münster haben die Stadt und der Stadt- sportbund (SSB) den „Pakt des Sports“ geschlossen. In diesem werden dem selbstorganisierten Sport kommunale Finanzmittel und Teilhaberechte an der Lokalpolitik und teilweise örtlichen Verwaltung dauerhaft gesichert.

Diese Praxis ist eine Vorstufe des konkreten Kommunalismus. Auch die in Münster häufig anzutreffende Überlassung von öffentlichen Sportanlagen an die nutzenden Sportvereine ist ein Schritt zur Selbstverwaltung öffentlicher Aufgaben durch die gemeinnützig organisierten Einwohner*innen.

Direkte Demokratie ist die Basis des Kommunalismus. (© wikipedia)

Besonders wichtig ist dabei, dass mit dem SSB Münster eine stadtweite Organisation besteht, der alle Sportvereine angehören, die auch öffentliche Aufgaben im Sport wahrnehmen. Dieses Selbstverwaltungsorgan des örtlichen Sports ist in der Lage, durch die Aktiven im Verband und den Vereinen zu einem demokratisch verfassten, transparenten Koordinationsgremium weiterentwickelt zu werden, das selbstbestimmt die gemeinnützigen sportlichen Aufgaben für die gesamte Stadt verwaltet.
Die beteiligten Vereine müssen, da es sich um eine öffentliche Gemeinschaftsangelegenheit handelt, alle Einwohner*innen in die Vereinigung aufnehmen, die dies wünschen. Die Transparent für Mitglieder und die notwendige Öffentlichkeit wird durch den allgemein zugänglichen Jahresbericht über die zurückliegenden Tätigkeiten sowie der dafür aufgewendeten Finanzen, der jeweils im ersten Halbjahr erscheinen sollte, gewährleistet. Dies gilt im Rahmen der Selbstverwaltung der Kommune natürlich auch für den jeweiligen Stadtverband.

„In Münster existieren für einige kommunale Aufgabenfelder vergleichbare verbandliche Strukturen. Direkt umsetzen könnte die eigenverantwortliche kommunale Selbstverwaltung zum Beispiel der Stadtverband der Kleingärten, der Stadtheimatbund, der Kreuzbund, der Verband Bildung und Erziehung oder auch die die lokalen Verkehrs- und Wirtschaftsvereinigungen“, erklärte die Münsterliste im vergangenen Jahr.

Literatur

Brokow-Loga, Anton und Eckardt, Frank: Stadtpolitik für alle, Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2021
Graeber, David: Bullshitjobs, Klett-Cotta, Stuttgart 2018
Szybalski, Werner: Kapitalismus kommunal angreifen, Selbstverlag, Münster 2019
Zwischenraum Kollektiv (Hg.): Decolonize the city!, Unrast-Verlag, Münster 2017


Kommunalismus aktuell