Daseinsvorsorge als bedingungsloses Grundeinkommen

Der Begriff „Daseinsvorsorge“ sagt inzwischen vielen jungen Menschen nur wenig. Auch den Begriff „Gemeineigentum“ halten viele Menschen inzwischen nicht mehr für zeitgemäß. Die Kommunalist*innen sehen dies anders, denn sie möchten einerseits die Teilhabe an den öffentlichen Angelegenheiten (Politik) aller Menschen und andererseits die materielle Grundsicherung aller Einwohner*innen durch ihre jeweilige Kommune erreichen.

Menschenrechte kommunal umsetzen

Die Menschenrechte müssen welt- weit garantiert und egalitär durch die Kommunen umgesetzt werden. Zu diesen unveräußerlichen Menschenrechten gehören der Anspruch auf Existenzsicherung durch ausreichende und gesunde Ernährung, auf Schutz der Gesundheit und die Wiederherstellung dieser bei Krankheit oder Verletzung, auf Zurverfügungstellung von angemessenem Wohnraum, auf Absicherung bei teilweiser oder gänzlicher Arbeitsunfähigkeit auch im Alter und natürlich auch auf Schutz durch die Gemeinschaft. Hinzu kommen die schon heute unter Daseinsvorsorge subsumierten kommunalen Dienste wie Mobilität, Wohnen, Bildung, Gesundheit, Energie, Wasser und Abfall.

Die Sicherung der Existenz aller Menschen kann am besten durch die lokale Gemeinschaft gewährleistet werden.

Werner Szybalski

Schon heute ist die Hilfsbereitschaft bei kleinen und großen Katastrophen in der unmittelbaren Nachbarschaft am größten. Nur die lokale Gemeinschaft, die natürlich mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet und auch eine genügend große Anzahl an Einwohner*innen umfassen muss, also mindestens eine Stadtregion umfassen sollte, kann wegen der genauen Kenntnisse der gegebenen örtlichen Lebensverhältnisse neben der materiellen Absicherung des Lebens in der jeweiligen Gemeinschaft auch die Rechte der Menschen und die Teilhabe aller Einwohner*innen garantieren.

Das bedingungslose Grundeinkommen, eine gar nicht mal so neue Idee, ist grundsätzlich eine gute Utopie. Im Kapitalismus dient sie allerdings eher zur Ruhigstellung der aktuell nicht am Markt erforderlichen Arbeitskräfte. Die Reservearmee der unbeschäftigten Arbeiter*innen wird so durch Brosamen ruhig gestellt. Zudem bleiben die Bezieher*innen des bedingungslosen Grundeinkommens dem kapitalistischen Markt als Konsument*innen erhalten, wenn auch auf niedrigstem finanziellen Niveau. Gleichzeitig erhöhen sie den Druck auf die Beschäftigten, die so auf die Durchsetzung ihrer Rechte schnell verzichten, um nicht auch in die prekäre Situation der Transferleistungsempfänger*innen abzurutschen.

Existenzsicherung durch bedingungsloses Grundeinkommen

Wird die Existenzsicherung, also die Daseinsvorsorge als bedingungsloses Grundeinkommen durch die lokale Gemeinschaft gewährt, verändert sich der Charakter dieser gemeinschaftlichen Leistung aller für alle und durch alle. Die Menschen in der Kommune sind fortan nicht mehr nur Objekt (also Transferleistungsempfänger*innen) sondern auch Subjekt, da sie gemeinsam mit allen über den jeweiligen Umfang der örtlichen Daseinsvorsorge entscheiden und die Durchführung gemeinsam überwachen. Zudem kommt die Daseinsvorsorge allen Einwohner*innen zu Gute, was den heute existierenden Makel der Transferleistung entfernt.

Bislang nicht oder unterbezahlte (Arbeits-)Leistungen für die Gemeinschaft (unter anderem Erziehung, häusliche Pflege, Nachbarschaftshilfe, bislang grundsätzlich unbesoldetes ehrenamtliches Engagement in den Organisationen der Zivilgesellschaft) kann durch garantierte kommunale Sach- und gegebenenfalls auch Finanzleistungen anerkannt und gewürdigt werden. Wohnraum, Gesundheitssicherung, Grundversorgung mit allen notwendigen Lebensmitteln, die Absicherung im Alter beziehungsweise bei Krankheit oder Handicap sowie die Entlohnung der bisherigen unbesoldeten Caretätigkeiten werden durch die Gemeinschaft organisiert, verwaltet und bereit gestellt.

Über die Basissicherung hinaus sollte besonderes Engagement für die örtliche Gemeinschaft auch besondere Anerkennung, durch aus auch materiell, finden. Dies ist notwendig, um auch in der kommunalen Gemeinschaft den individuellen Bedürfnissen der Menschen gerecht werden zu können. Dabei ist auf die aktive und passive Beteiligung aller gemäß ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten in der Gestaltung der kommunalen Gemeinschaft besonderer Wert zu legen.

Verwirklicht werden kann dies, indem die in der Kommune individuell festgelegte Daseinsvorsorge komplett dem Markt entzogen wird.

Jede Kommune (Stadtregion) verwaltet die bezogenen und erbrachten Leistungen in der Daseinsvorsorge deshalb in einem geschlossenen Abrechnungssystem.

Carearbeit wird entlohnt

Alle Leistungen innerhalb der örtlichen Daseinsvorsorge sind von allen Abgaben befreit. Sie werden zwischen den Einwohner*innen innerhalb der jeweiligen kommunalen Daseinsvorsorge verrechnet. Da viele Menschen haupt- oder nebenberuflich (dazu gehören zum Beispiel Ärztinnen, Bus- oder Bahnmitarbeiterinnen, Pflegepersonal, Lehrer*innen, Erzieher*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen, Hausmeister*innen, Mitarbeiter*innen in kommunalen Vereinigungen und Gremien, Menschen, die die gemeinschaftliche Infrastruktur errichten und unterhalten, und so weiter) oder auch bislang unbesoldet, wie zum Beispiel Eltern, die sich um ihre Kinder selbst kümmern, nun innerhalb des Sozialsystems „kommunale Daseinsvorsorge“ für ihre gesellschaftliche Tätigkeit entlohnt werden, übersteigt der Input in die Gemeinschaft den von dieser gewährleisteten Output.

Dieser „Überschuss“ muss in frei konvertierbaren, überörtlichen Zahlungsmitteln diesen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Für die Umwandlung von Daseinswerten in allgemeine Zahlungsmittel kann die Kommune eine Abgabe, vergleichbar mit der heutigen Einkommenssteuer, erheben. So kommt die jeweilige Kommune an konvertierbare Zahlungsmittel. Damit kann zum Beispiel nicht privater Handel mit anderen Kommunen getätigt werden, um die Versorgung der Gemeinschaft zu gewährleisten.

Im konkreten Kommunalismus, wie ihn sich die „Münsterliste – bunt und international“ vorstellt, wird die örtliche (und auch die überörtliche) Verwaltung durch offene, transparente Vereinigungen der Einwohner*innen geführt und kontrolliert. Die heute vielfach in kapitalistischen Gesellschaften organisierten Eigenbetriebe der Kommunen, die die Daseinsvorsorge als kommerzielle Dienstleistung für Kund*innen statt als Versorgungsleistung für ihre Einwohner*innen anbieten, werden komplett dem Markt entzogen. Sie sind ausschließlich für die Menschen ihrer Kommune da.

Eigenbetrieb statt Dienstleistung

Alle Ver- und Entsorgungsleistungen der kommunalen Gemeinschaft und natürlich auch die von den örtlichen Vereinigungen für die Einwohner*innen erbrachten sozialen oder ökologischen Leistungen müssen in selbst verwalteten Organisationen erbracht werden. Dies bedeutet, dass diese nicht nur von den Beschäftigten selbst verwaltet werden, sondern die Einwohner*innen, für die die Leistungen erbracht werden, müssen an der Leitung und Kontrolle der „Eigenbetriebe der Kommune“ direkt und unmittelbar beteiligt werden.

Kollektive und Soloselbständige

Die örtliche Daseinsvorsorge kann auch von selbständigen Personen oder Kollektiven erbracht werden. Dabei hat die Gemeinschaft zu entscheiden, wer welche Bereiche selbständig der Kommune zur Verfügung stellen darf. Schließen sich Menschen zusammen, um eine solche Aufgabe zu übernehmen, so müssen sie zwingend kollektiv arbeiten. Alle im Kollektiv beschäftigten Miteigentümer*innen müssen in geeigneter Weise an der Führung des gemeinsamen Unternehmens gleichberechtigt beteiligt sein.

Der konkrete Kommunalismus, der sich im politischen Feld zwischen nachhaltig, offen, sozial und basisdemokratisch verortet, verfolgt zudem das Ziel, die Entfremdung der Arbeit sowie den Mehrwert abzuschaffen. Dies erfolgt durch die Berechnung eines Gutes oder einer Dienstleistung durch die Kosten für die eingesetzte Arbeitszeit und die verbrauchten Arbeitsmittel. Zudem werden die ökologischen Kosten berücksichtigt. Um nachhaltig zu produzieren, wird auch der Preis für die Belastung der Natur und Umwelt berechnet. Die Eingriffe müssen – grundsätzlich in unmittelbarer Nähe und im Territorium der Kommune – ausgeglichen werden. Dafür sind in der kommunalistischen Kommune die örtlichen Umwelt- und Naturschutzvereinigungen zuständig.

Überschuss und Mangel

Auch in jeder kommunalistischen Gemeinde wird es Überschuss und Mangel geben. Deshalb ist die schon vom Begründer des modernen Kommunalismus, dem Amerikaner Murray Bookchin (1921 – 2006) vorgeschlagene Konföderation der kommunalistischen Städte, quasi das örtliche Pedant zur selbst verwalteten Gemeinde, also die „Kommune der Kommune“, wichtig. Zwischen den Kommunen und natürlich auch für Menschen, die in anderen Kommunen unterwegs sind, muss deshalb fairer Handel und Austausch möglich sein.