Mahnwache und Protest gegen rechte Politik

Von Werner Szybalski

Der Rechtsradikale Tobias Rathjen tötete aus rassistischen Motiven am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen. Die Taten geschahen am späten Abend in einer Bar und einem Kiosk in verschiedenen Stadtteilen. Alle Opfer hatten eine Migrationsvorgeschichte. Auch in Münster wurde am Donnerstagabend (20. Februar) der Opfer gedacht und zum aktiven Widerstand gegen die menschenverachtende Politik der Rechtsradikalen – auch im Rat der Stadt Münster – aufgerufen. Gegenüber des Hauptbahnhofs versammelten sich auf der Windthorststraße hunderte Menschen, um der Opfer zu gedenken, die in Hanau ums Leben gekommen waren. Später zogen die über 500 Teilnehmer*innen in einem Trauermarsch zum Prinzipalmarkt, wo eine zweite Mahnwache durchgeführt wurde.

Dr. Georgios Tsakalidis, designierter Spitzenkandidat der bunten und internationalen Liste bei der Kommunalwahl am 13. September in Münster, rief auf dem Prizipalmarkt zu aktivem Widerstand gegen Rassismus und Ausgrenzung auf. (Foto: Jan Große Nobis)

Der Hanauer Tobias Rathjen tötete am späten Mittwochabend zehn Menschen und sich selbst. Das „Netz für digitale Zivilgesellschaft – Bell Tower“ veröffentlichte die Namen der Opfer und einige Informationen zu diesen:

Ferhat Ünvar: Er hatte erst kürzlich eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker in einem Sanitärbetrieb abgeschlossen. Seine kurdische Familie war aus der Türkei nach Deutschland geflohen. Ferhat war der Sohn einer ehrenamtlichen Unterstützerin der kurdischen Zeitung Yeni Özgür Politika und sein Cousin beschreibt ihn als lebenslustigen Menschen. Er wurde nur 22 Jahre alt.

Gökhan Gültekin: Er hatte gerade ein Umzugsunternehmen gegründet und arbeitete nebenbei als Kellner in einer der Shishabars. Seine kurdische Familie kam aus der osttürkischen Provinz Ağrı nach Deutschland, bevor er geboren wurde. „Gökhan war der Besonnene und Fleißige der Familie gewesen“, erzählt sein Vater der Süddeutschen Zeitung. Er wollte sich in Kürze verloben und wurde nur 37 Jahre alt.

Hamza Kurtović: Hamza wurde wie schon sein Vater in Deutschland geboren. Er wohnte in der Nähe des Täters und seine Familie stammt ursprünglich aus der bosnisch-herzegowinischen Stadt Prijedor. Hamza erst vor kurzer Zeit eine Ausbildung abgeschlossen und stieg gerade in das Berufsleben ein. Er wurde nur 21 Jahre alt.

Mercedes Kierpacz: Sie arbeitete in einem Kiosk neben einer der beiden Shishabars und war Mutter von zwei Kindern. Angeblich war sie mit dem dritten Kind schwanger. Ihre Freundin Jade M. erinnert sich gegenüber „20 Minuten“ an Mercedes: „Sie war auch sehr offen und sympathisch. Man hat sich in ihrer Nähe sofort wohlgefühlt“. Sie kommt aus einer deutsch-polnischen Roma-Familie und wurde nur 35 Jahre alt.

Sedat Gürbüz: Er war der Besitzer der „Midnight“-Shishabar und lebte in Dietzenbach. Sein guter Freund Navid sagt gegenüber „20 Minuten“: „Sedat war ein geliebter Bruder. Er hat immer gelacht, konnte keiner Fliege etwas zuleide tun“. Sedat wurde nur 30 Jahre alt.

Kalojan Welkow: Er kam vor etwa zwei Jahren aus Lyutidol in Bulgarien nach Deutschland. Kalojan arbeitete als Wirt bei der Bar „La Votre“ neben der „Midnight“-Shishabar und unterstützte mit seiner Arbeit seine in Bulgarien lebende Familie. Er war der Vater eines siebenjährigen Sohnes. Zum Zeitpunkt seiner Ermordung war Kalojan erst 32 Jahre alt.

Fatih Saraçoğlu: Erst vor kurzem war er aus Regensburg ins Rhein-Main-Gebiet gezogen, um sich dort selbstständig zu machen. Salih Altuner aus Regensburg beschreibt die Familie Saraçoğlu als „ganz freundliche, zurückhaltende Menschen“. Fatih habe in Regensburg noch viele Freunde. Er wurde nur 34 Jahre alt.

Said Nessar El Hashemi: Nach Informationen der Hessenschau wurde Said in Hanau geboren und ging dort zur Schule. Im kommenden Jahr wollte er die Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker absolvieren. „Er war immer glücklich gewesen und war immer für Menschen da, die seine Hilfe benötigten“, schrieb seine Schwester der Hessenschau. Said wurde nur 21 Jahre alt. Sein zwei Jahre älterer Bruder überlebte schwerverletzt.

Vili Viorel Păun: Vili war der einzige Sohn seiner Eltern, kam aus Singureni in Rumänien und gehörte der Minderheit der rumänischen Roma an. Vor ca. 8 Jahren kam er nach Deutschland, um seiner Mutter beizustehen, die wegen einer medizinischen Behandlung hergezogen war. Aktuell lebte Vili zusammen mit seinen Eltern in Hanau und arbeitete für einen Lieferdienst – später wollte er Informatik studieren. Er wurde nur 23 Jahre alt.

Auch die Mutter des Attentäters, Gabriele R., gehört zu den Opfern.

Antenne Münstere veröffentlichte folgende Zitate: „Unsere Gedanken sind bei den Opfern von Hanau und ihren Angehörigen“, sagte der DGB-Stadtverbandsvorsitzende Peter Mai. „Wir sind entsetzt über den rechten Terror, der unser Land immer häufiger erschüttert. Wir stehen gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen aller Nationalitäten und Glaubensgemeinschaften für eine weltoffene und friedliche Gesellschaft. Wir werden uns den Feinden unserer Demokratie mit aller Kraft entgegenstellen. Gegen Rassismus, Menschenverachtung und soziale Ausgrenzung. Die Worte, die Reden und die Schriften der extrem Rechten gehen diesen Taten voran. Für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte!“, ergänzt DGB-Stadtverbandsvorstand Carsten Peters. Hubertus Zdebel von der Linkspartei verurteilte die Tat als eine, die im Klima von AfD und Pegida geschürt wurde.

Martin Schiller, Ratsmitglied, verurteilter Gewalttäter und Kreisvorstandssprecher der AfD Münster, verharmloste die Morde von Hanau. Sie wären weder rechter noch linker Terror, sondern die wahnhafte Tat eines offenkundig Irren, der in einer Wahnwelt lebte. Da hat wohl jemand gedanklich in den Spiegel geschaut.

Dr. Georgios Tsakalidis hielt die abschließende Mahr- und Gedenkrede für die Opfer aus Hanau und der rechten Gewalt auf dem Prinzipalmarkt in Münster. Im Video seine Stellungnahme zu den feigen Morden vor der Kamera von Lothar Hill.

Georgios Tsakalidis, seit Jahren in Münster für Geflüchtete, Menschen mit Migrationvorgeschichte und sozial Ausgegrenzte aktiv, sprach ganz zum Schluss der Mahnwache auf dem Prinzipalmarkt. Später wiederholte der designierte Spitzenkandidat der Kommunalen Wähler*innen-Vereinigung „Münster – bunt und international“ seine Beitrag vor der Kamera. Auf dem Prinzipalmarkt rief er dazu auf, sich aktiv in die Politik einzumischen, um so den Rassismus und die Ausgrenzung wirksam zurückdrängen zu können.